"Das ist doch mein Leben"

Patrick Hohmann

Was denkt, wie fühlt ein ethischer Entrepreneur? Ein Unternehmer der Business mit Bio verbindet? Ein grüner Patron?

Mit Patrick Hohmann, Gründer des Biotextilpioniers Remei, sprach Hannes Grassegger

Er ist eigentlich ein „Textiler“ der alten Schule. Ein „Patron“, dessen Sohn in der eigenen Firma arbeitet. Doch 1990, nach Jahrzehnten in der konventionellen Textilindustrie, nach einer Kindheit als Sohn eines Textilhändler in Ägypten und im Sudan, begann der Unternehmer Patrick Hohmann etwas, wofür er damals ausgelacht wurde. Hohmann wurde grün. Sehr sogar. Seit 2005 produziert sein Betrieb ausschliesslich Bioware. Ein hartes Geschäft, voller Tücken, Betrüger, Preisschwankungen. Doch Hohmann liebt das Ringen. Man müsse Werte haben in diesem Geschäft, sagt der Firmengründer, der mittlerweile an Partizipation glaubt und eine ganz eigene Unternehmensethik entwickelt hat.

Remei, der Textilhersteller aus Rotkreuz nahe Luzern ist ein klingender Name in der Biotextilwelt. Zusammen 7000 Farmer in Indien und Tanzania produzieren Baumwolle im Auftrag von Remei, das sich als Netzwerkmanager versteht. Durch ein vielstufiges Produktionssystem gelangen Remei Kleider schliesslich in die Regale von Monoprix, Coop oder Mammut. Und auch Greenpeace setzt auf Remei.


Q: Herr Hohmann, Sie verrieten mir kürzlich auf einer Besichtigung Ihrer Biobaumwollfelder in Indien, dass sich das finanziell kaum mehr lohne. Doch Sie hätten ein Versprechen gegeben, spürten Verantwortung. Wurde aus dem Geschäftsmann ein Visionär?

Auch als reiner Geschäftsmann war ich Visionär. Ich wollte viel verdienen, Karriere machen. Aber wie das Leben spielt: Man begegnet Menschen, hat Familie, Kinder. Mit fortlaufendem Alter gehen die Augen immer weiter auf. Mit 40 Jahren dachte ich, diese Wirtschaftsform die ich bisher erlebt hatte, die ist doch einfach Unfug. Ich hab gesehen, wie die Textilindustrie sich änderte. Da wollte ich einen Serviceanbieter gründen, der allen nutzt.

Wieviele Menschen arbeiten in dem Produktionsnetzwerk, dass Remei betreut?

Es sind 54 Betriebe die wir koordinieren...die Farmer...zusammen etwa zwanzig- bis dreissigtausend Menschen.

Ursprünglich waren Remei ein konventioneller Betrieb. Wie kamen sie auf Bio?

Da lag eine Werbung des WWF auf meinem Tisch, in der mit handgepflückter Baumwolle geworben wurde. Etwa 1990. Das suggerierte, handgepflückt sei etwas Gutes. Was auch stimmte, weil nicht durch Entlaubungsmittel geerntet wurde. Ich sagte mir aber: Wenn schon, dann richtig!
Weil eigentlich war handgepflückt nur in Amerika etwas besonderes. Siebzig Prozent der Baumwolle wurden ja handgepflückt. Ich ging etwas später zu meinen Spinnereien in Indien, und fragte meine Zulieferer, woher denn eigentlich ihre Baumwolle kam. „Von weit her.“ Da fragte ich einfach: Warum nehmen wir nicht Bio? Und wurde erstmal ausgelacht. Damals gab es noch keine Biobewegung. Neun Monate später stellte ich die gleiche Frage dem Spinner der Maikaal Spinnerei. Und der sagte: „Lass uns das machen.“ Wir mussten uns mühsam einen Berater suchen.

Hinter Remei stehen Sie. Sie sagten einmal, Sie seien ein Patron. Ihr Unternehmen scheint kein revolutionär-neuartiges Modell...

Fast alle Mitarbeiter sind beteiligt. (Hält ein Aktionärsregister hoch) Ein Unternehmen mit Namensaktien! Habe ich wirklich Patron gesagt? Nun, ich führe relativ breit, versuche ein guter Patron zu sein und frage meine Mitarbeiter. Ich koordiniere ein Führungsteam mit sechs Leuten. Mit mir und meinem Sohn sind nur zwei Männer in der Führungsetage.

Ein guter Patron? Was sind denn Ihre unternehmerischen Werte?

Ich möchte Qualität und Preisgerechtigkeit. Qualität heisst wirklich das Beste aus dem Produkt rauszuholen. Preisgerechtigkeit heisst so zu arbeiten, das jeder der am Geschäft teil hat, sich auch damit entwickeln kann, seinen Teil kriegt. Nicht einer sehr viel, der andere sehr wenig.
Wenn man wie ich mit tausenden Partnern zusammenarbeitet, kann man das nicht eins zu eins lösen, sondern muss Regeln aufstellen. Darin liegt die Schwierigkeit, Regeln so aufzustellen, die Mitarbeiter so zu sensibilisieren, dass sie diese Regeln anwenden wollen. Das ist der grosse Schlüssel. Das ich eine Unternehmung schaffen möchte, in der diese Regeln lebendig, in Bewegung bleiben. Wir überlegen uns bei Zahlen in den Bilanzen: wie wirkt sich unser Handeln auf die Bauern aus?

Sie denken für andere mit?

Ja! Für Farmer und für Endkunden.

Sie sagen, Ihre heutige Unternehmens-Ethik besteht darin, für Zulieferer wie Abnehmer so nützlich zu werden, dass Remei einen Wert, nicht Kosten, darstellt.

Ich glaube nicht, dass Ethik und Wirtschaft sich widerspricht. Die unethische Wirtschaft läuft aus dem Ruder. Die ethische Wirtschaft balanciert aus. Zu ethisch wird nicht mehr wirtschaftlich. Zu unethisch wird einfach überaus wirtschaftlich. Die Balance, die man zwischen Angebot und Nachfrage schaffen muss, ist etwas Verbindendes, Wertschaffendes. Daraus soll der Ertrag unserer Firma kommen. Der Nutzen unseres Unternehmens für die Kunden besteht darin, dass die Partner auch etwas mitnehmen können.

Sie experimentieren mit biodynamischen Methoden. Was bedeutet Ihnen Anthroposophismus?

Im Antroposophismus fand ich Gedanken, die eine überkulturelle Zusammenarbeit ermöglichen. Beispielsweise, dass jeder frei ist, seiner Denkenswelt zu folgen. Und im wirtschaftlichen: Jeder ist dem anderen zugewendet, es hat keinen Sinn, Wirtschaft nur für sich zu machen, sondern es ist immer für den Anderen. Drittens: Vor dem Gesetz ist jeder gleich, es gibt Regeln die für alle gelten. Wenn man sich daran hält, kann man weltweit wirtschaften, ohne zu unterdrücken oder Regeln aufzuzwängen. Wir bieten Biodynamisch als Option, aber zwingen Bauern das nicht auf.

2009 begann eine Krise in der Biocottonbranche. Zu allem Unglück traf Sie noch ein schwerer gesundheitlicher Rückschlag. Wie fanden Sie die Kraft wieder in die Firma zurückzukehren?

Das ist doch mein Leben! Ich kann es mir gar nicht vorstellen ohne dieses Ringen, dieses Bio, eigentlich noch viel mehr: diese soziale Wirtschaft. Ich will das hinkriegen, wirtschaftlich und nachhaltig zu arbeiten. Ich möchte, auch wenn das nicht immer möglich scheint, dass die Menschen die mit mir zusammengearbeitet haben, einen Vorteil aus dieser Zusammenarbeit gefunden haben. Ich habe gesehen, das ist noch nicht fertig. Das muss auf viel breitere Schultern, viel mehr Menschen, nicht einfach auf einen Patron gestellt werden. Diese Ideen des partizipativen Zusammenarbeitens, das müssen wir wirklich noch weitertragen, dass muss Formen finden über eine lange Kette, dass der Bauer bis zum Retailer durchkommt. Das alte horizontale Wettbewerbsmodell, Weber gegen Weber, ist eigentlich tot.

Wie wichtig ist es, an seinen Werten festzuhalten, wenn man in der Biobranche arbeitet?

Ich glaube, Werte sind eminent wichtig.

Wenn es um Werte, um Glauben geht, wie kann Kritik an Bio beispielsweise aus den Medien dann eine produktive Rolle einnehmen?¨

Ich bin kein Besserwisser. Und ich hab manchmal Mühe mit Kritik. Aber ich nehm das auf und denke immer: es könnte was dran sein. Kritik wird bei uns hoch angesehen. Wir versuchen das für unsere Performance zu nutzen. So war das auch als 2010 Berichte über gentechbelastete Bioware erschienen. In Folge dessen haben wir unser Kontrollsystem noch mal verschärft. Und wir haben festgestellt: wir müssen noch viel besser werden, um Gentech die Stirn bieten zu können.

Sie wiesen in ihrem Jahresbericht bereits 2009 auf schwere Unregelmässigkeiten hin. So ehrlich wie Hohmann war kein Bio sonst. Was hat es Ihnen gebracht?

Das ist mir wurscht, was die anderen dazu sagen. Wer die Wahrheit sagt, muss sich nachher nicht daran erinnern, was er gesagt hat. Der Bioanbau ist keine einfache Sache. Es ist ein ungeheures Ringen. Dieses Vorspielen von Einfachheit, das macht die Gentechnik. Das ist nicht lebendig. Wenn man lebendig arbeitet hat man Widerstände, ein Ringen. Wenn man will, dass der Andere teilnehmen kann, muss man ihm die Wahrheit erzählen.

Nun verlor Remei - vielleicht aufgrund ihrer aufwendigen Gentechkontrollen – tausende Farmer. Nehmen Sie die Gentechnik vielleicht zu ernst?

Gentechnik kann man gar nicht „zu ernst“ nehmen. Die Gentechnik ist empirisch gedachter Anbau. Zuerst kam die grüne Revolution, dann gab es zuviel Unkräuter. Man vernichtete die Unkräuter. Damit starben die nützlichen Insekten aus. Also musste man die Pflanzen spritzen. Dann haben sich die Schädlinge unter den Blättern verteilt. Dann musste man die ganze Pflanze vergiften. Gentech: Es gibt keine Ruhe in diesem System. Und auch sozial nicht: Erst haben sich die Bauern mit uns entschuldet. Dann kehrten sie zur Gentechnik zurück – und haben wieder Schulden. Wir müssen Balance finden. Das geht nicht, indem man ganze Flächen vergiftet. Wir müssen anders denken! Bioanbau setzt Kräfte ins richtige Verhältnis zueinander. Ich bin zu alt, um noch an Gentechnik glauben zu können. Ich sehe zu viele Widersprüchlichkeiten darin.

Sie haben geringere Profite durch den Mehraufwand den Sie für die ethischen Praktiken in Kauf nehmen.

Es geht uns gut, vor allem wenn ich mich mit anderen Textilunternehmen vergleiche. Wir sind in sehr schwarzen Zahlen. Doch es geht nicht um Profit. Profit ist nur eine Notwendigkeit. Wir müssen gut verdienen, um sozial zu sein. Wir wollen gut verdienen, haben da unsere Ziele, aber wir wollen nicht mehr.

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