Rallye. Yeah. Raus in die Wüste.

Raus in die tunesische Sahara. Wie zielstrebige Unternehmer sich selber in die Wüste schicken.

von Hannes Grassegger


„Ich bin heiss“, faucht Mirko Holzer, 33 Jahre, Gründer, Partner und CEO des Marketingunternehmens BrandMaker beim Skype Interview in seinen Computer, „ich muss mich nicht vorbereiten für diese Rallye. Ich hab keine Zeit dafür. Mein Business expandiert wie nie, da muss ich am Ball bleiben. Ich setz drauf, dass ich ein Naturtalent bin.“

Die Jungs von der Werkstatt hätten ihm gesagt, sein Porsche Carrera – ein Cabrio in Arctic Silber - sei genau für solche Herausforderungen entworfen. Jetzt will er die Karre ausfahren: Am 14. Mai 2010 startet der Karlsruher mit 15 weiteren Teams der so genannten Burning Fish Ralley von Zürich Richtung Sahara. Quer durch die Alpen, übersetzen in Genua, ab Tunis weiterbrettern durch den grünen Norden, das Steinmeer, rein in die Wüste. Raus aus allem. Fertig Blackberry, ciao Internet.

sahara


„Seit zehn Jahren check ich jeden Tag meine Emails“, pusht Holzer durch die Leitung, „ich hatte keine lockere Studentenzeit, stattdessen eine eigene Firma. Ich hab was nachzuholen.“ In den ersten sieben Firmenjahren hat Holzer, dessen Marketing-Software mittlerweile weltweit von über 100.000 Kunden genutzt wird, keinen Urlaub gemacht. Sieben Tage die Woche, zwölf, 14, 20 Stunden am Tag, Koffeintabletten, Meetings, Guarana, Investoren. Seit drei Jahren arbeite er „nur noch 70 Stunden die Woche“. Da will er jetzt mal raus. Manchmal träume er schon von der Wüste. Diese Rallye sei für’s Kind im Manne, schwärmt Holzer. Er und sein Beifahrer haben ihr Team „Alpha Spirit“ getauft. Für das Logo, einen Löwen mit flammender Mähne, hat er eine Werbeagentur beauftragt. Mirko Holzer will gewinnen. Er meint das ernst.

„Todernst“, sagt er.

Michael Hosse auch. Er ist vielleicht Holzers größter Konkurrent, er ist der Titelverteidiger, er hat die erste Burning Fish Rallye im vergangenen Jahr gewonnen. Sachte streichelt der 64-jährige Gentleman die neue Bereifung seines Siegerfahrzeuges, eines elfenbeinfarbenen Homark Criterion, Baujahr 1928. Ein Dandy ist Hosse, ein stolzer Herr mit spitzen Stiefeletten, goldenen Manschettenknöpfen und Cordjacket. Gezeugt wurde er in diesem Lieferwagen, und im Oktober 1945 darin auch abgenabelt, auf dem Weg zum Krankenhaus. So die Familiengeschichte. Jahrzehntelang verfiel das Auto, diente als Hühnerstall - dann ließ der Textilfabrikant seinen Oldtimer restaurieren. Unter der Motorhaube ist seitdem ein 2.0 Liter Motor mit über 100 PS versteckt. Zufrieden rückt er sich sein Einstecktuch zurecht. Für Oldtimertreffen sei der Car so nicht geeignet, sagt Hosse, dafür aber für die Autobahn. Und für die Rallye. Ein echter Trip sei das gewesen. Sein Egotrip.

Kleine Abenteuer für Unternehmer

Natürlich ist Hosses rollendes Kindbett deutlich langsamer als Holzers Carrera. Aber das ist egal. Bei Burning Fish gehe es nicht um Speed, „wir sind ein Roadtrip für den ambitionierten, verantwortungsbewussten Unternehmer von heute“, sagt Fritz Hortig von der Zürcher Veranstaltungsagentur Fischersfritz. Klar, es sei ein Wettbewerb, der Hauptgewinn ist die kostenlose Teilnahme beim nächsten Trip. Aber d eher als ein Wettrennen, ist das ganze ein Spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Aufgaben auf der Strecke lösen müssen.
Kleine Abenteuer für gestresste Unternehmer: Fallschirmspringen, die kreativste Flaschenpost von der Fähre werfen, Fahrerleistung. All das wird bewertet. „Wir gehen sicher, dass den Teilnehmern der Absprung aus dem Arbeitsalltag gelingt“, sagt Hortig. Mit diesem Konzept knüpft man an die Ursprünge der Rallye-Idee an, als Anfang des 20. Jahrhunderts betuchte Automobilisten von Stadt zu Stadt fuhren, ihre vom Pferd befreiten Kutschen staunenden Augen vorführten und sich zum Picknick trafen.

„Aktives Abschalten - das ist das wahre Ziel von Burning Fish“, sagt Hortig. So wie er es selbst erlebt hat, Ende 2007 in der tunesischen Wüste. Der 28-Jährige mit der blonden Surferfrisur und dem Dreitagebart besuchte damals seinen Studienkumpel Alex Fischer, der in Tunesien lebte. Von dort aus fuhren die beiden los, Richtung Douz, glitten sie in die Wüste. „Es war wunderbar wie sich die Landschaft veränderte, der Sand immer feiner wurde. Wir haben nur geschwiegen und genossen.“ Mitten in der Sahara feierten die beiden Silvester. Neben dem Feuer mit einer Handvoll Couscous, ein paar Datteln, einer Flasche Jack Daniels. „Dieses gemeinsame Erlebnis hat uns stark geprägt“ erinnert sich Alex Fischer. „Wir wussten, dass wir dieses Gefühl, das intensive Naturerlebnis, die Ruhe, das zu-sich-Kommen weitergeben wollten. Burning Fish war geboren“



Also entwickelten die beiden das Rallye-Konzept für „Menschen, die den Schritt aus der eigenen Comfort Zone wagen“, sagt Hortig. Leute denen Fünf-Sterne-Hotels allein nicht genügen. Die Erlebnisse wollen, die man normalerweise nicht einfach kaufen kann. Das Maximum. Träume ausleben. Beyond Money – so ihr Credo.

Glänzende SUVs, Charity

Die ersten Burning Fish Teilnehmer kontaktierten Hortig und Fischer persönlich. Man rekrutierte über den Bekanntenkreis, traf sich zu Gesprächen, damit man genau die Klientel dabei hatte, die man wollte. Etwas später veranstaltete man einen Abend im Zürcher Luxushotel Dolder, dekorierte den Eingang mit weissen Rosen, Ferraris - und Kamelen. Dort lernte man Hosse kennen. Die Teilnehmer, das sei schon Society, lächelt der Titelverteidiger, eine Zusammenkunft gleichgesinnter Individualisten, abenteuerfreudiger Unternehmer. Gestartet wurde im vergangenen Jahr am Opernhaus Zürich. In voller Pracht präsentierten sich dort glänzende SUVs, ein MG TC Nachbau, Porsches, ein Volvo 544. „Kraftprotze und schöne Autos“, erinnert sich Hosse, der Seidenspezialist.

Zur Burning Fish Rallye bringt jedes Team sein eigenes Fahrzeug. Angetreten werden kann mit mindestens zwei Leuten: Fahrer und Beifahrer, je Kopf fallen 8000 Franken Startgeld an. Was Rallyelogistik, Hotels, Vollpension sowie sämtliche Side Events umfasse, schreiben die Veranstalter. Die Sponsoring Einnahmen aus den Werbungen auf den Fahrzeugen spenden die Veranstalter dem Kinderspital Zürich. Auch bezüglich Charity ist Fischersfritz eine ambitionierte Agentur. Letztes Jahr waren es 12.000 Franken, Hortig ist gespannt ob man dieses Mal 50.000 zusammenkriegen wird. Die Teilnehmer hätten zudem Freude daran, für einen guten Zweck unterwegs zu sein, meint Alex Fischer.

Ersatzfahrzeuge, Paläste

Gleich zu Beginn der Tour, auf den alpinen Strassen brennt ein Motor, laufen Bremsen heiß. Der MG fällt am Comer See aus, das Fahrerteam lässt sich einen BMW X5 kommen. „Nur mein Homark schnurrte wie ein Kätzchen“, erzählt Hosse. Kurz vor dem Übersetzen, im Hinterland von San Marino wird in einem Schloss übernachtet, einen Tag später: Fallschirmspringen mit dem Weltmeisterteam im Kürspringen, dann Pokern während der 22 Stunden Fahrt mit der Fähre nach Tunesien. „Eine Gelegenheit sich etwas kennenzulernen“, sagt Hosse. In Tunesien checken die Teilnehmer im Fünf-Sterne-Hotel The Residence ein, das livrierte Personal steht Spalier. „Wir sind bewirtet worden wie Könige. Ich konnte mich am nächsten Morgen kaum trennen von meiner Suite“, sagt Hosse, „allein das Bad muss an die 60 Quadratmeter gehabt haben. Ich habe ja schon viel gesehen, aber was für ein Palast!“

Hosse startet früh, er weiß, sein Auto ist langsam. Er fährt durch den mediterranen Norden Tunesiens, der ihn an die Toskana erinnert, die Landschaft wird zusehends karger und steiniger, „ein langsames Abtauchen in die Wüste“, das Land wird flacher. Hosse saust an winkenden Kindern vorbei, an Ziegenherden, an Häuserwänden an denen sich das feilgebotene Gemüse fast bis zum Dach stapelt. Die Steine werden zu Sand, die Sahara kommt. Kurz vorher eine Tankstelle: „Da war das Benzin war in Kanistern abgefüllt. In der Gluthitze standen die Dinger reihenweise vor einer brüchigen Hütte. Nur eine Zigarette ...“.

Zusammen in den Dünen

Kaum in der Oase Douz, dem Tor zur Sahara, angekommen werden Dromedare und Pferde beladen und die Wüste geentert. Als es Nacht wird, stoßen Beduinen dazu und bereiten ein Lamm am offenen Feuer. Gemeinsam wird die Sahara zelebriert. Das Feuer knistert. Und es wird genetzwerkt. Hosse erzählt von Businessplänen am Lagerfeuer, Immobiliendeals zwischen den Teilnehmern, gemeinsamen Konzepten: „Jeder Unternehmer muss andere ins Unternehmertum reinreden. Das muss so sein. Aber irgendwie sind wir auch alle Spinner. Als ich losgefahren bin, da haben alle noch mächtig imponieren wollen.“ Nach zwei, drei Tagen ohne Assistenten und Vorzimmerdame, wenn man merke, dass alle mit gleichen Problemen kämpfen, die Anderen auf Augenhöhe seien, da öffne man sich. „Manche Unternehmer stehen zwanzig Jahre lang mit dem Rücken zur Wand. Jeden Tag. Da konnten wir auch mal drüber reden während dem Roadtrip.“

salzsee

Die nächste Etappe heißt Touzeur. Ein weiter westlich gelegener Wüstenort mit etwa 30.000 Einwohnern, weltberühmt als Drehort für George Lucas’ Star Wars. Hosse durchquert den Chott el Djerid, den riesigen Salzsee. Ganz weiss und flach ist es, die Hitze flimmert, am Horizont die Umrisse von Bergen.

Federungen, Bolzen, Holzer ist raus

Dann die finale Etappe: Ein Rennen durch die Dünenlandschaft, auf Quads mit starken Motoren zu den Filmkulissen die seit Jahrzehnten im Sand warten. „Wir hatten die Düne ganz für uns“, sagt Hosse. Ein Fahrer habe sich die Hände blutig gesteuert, so sei der rumgesprungen mit seinem Quad. Damit sein alter Homark Criterion die Route, die dieses Mal wieder gefahren wird, überlebt, hat er einen ganzen Haufen Geld in neue Federungen, Achsen, Bolzen und Reifen gesteckt. Und er springt jeden Tag Seil. 15 Minuten lang.

Mirko Holzer, der Neuling, bereitet sich auf seine Art vor: Er hat alle Personalentscheidungen ins erste Quartal gelegt. Seine Belegschaft soll fit sein, wenn er weg ist. „Die müssen ohne mich können“, sagt er, und hat sich fest vorgenommen auszuprobieren, ob er ohne Arbeit kann. Mirko Holzer will nicht ans Satellitentelefon gehen, wenn es dann klingelt. Zum ersten Mal ist er raus.

...read Charles report on the rallye for T-Magazine here:http://tmagazine.blogs.nytimes.com/tag/burning-fish-rally/

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