«Kein Chaos heisst nicht, dass alles gut gehen wird»
Mit Lorenz Götte sprach Hannes Grassegger
Lorenz Götte
Der 38-Jährige ist Professor für angewandte Mikroökonomie an der Universität Lausanne. Sein Spezialgebiet ist die Verhaltensökonomik.
Als Spezialist für Verhaltensökonomik haben Sie sich zwei Jahre lang im Auftrag der Federal Reserve Bank in Boston mit der Subprime-Krise beschäftigt. Damals taumelten die Aktienmärkte viel mehr als jetzt.
Auch damals waren die Finanzmärkte lange relativ ruhig. Dann kamen Schlüsselereignisse wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers, und die Börsen reagierten blitzartig extrem, vielleicht sogar übermässig.
Die Währungen schwanken. Die Schweizer Börse ist auf einem Zweijahrestief, aber warum sehen wir nicht auf allen Märkten massive Umschichtungen?
Die Handlungsunfähigkeit des Einzelnen hat auch damit zu tun, dass keiner weiss, was kommende Woche passieren wird. Bei einem Bankrott würden die USA entweder ihre Auszahlungen stoppen, was auf der Konjunkturseite Effekte hätte, oder die Rückzahlungen gewisser Darlehen, was zuerst die Zinsen der Staatsobligationen erhöhen würde.
Beides hat völlig unterschiedliche Konsequenzen und niemand weiss, was die Politik entscheiden wird. Vielleicht beides zusammen? Wie also reagieren?
Sie sehen also keine psychologische Komponente im aktuellen Verhalten der Anleger?
Das ist eine objektive, keine subjektive Unsicherheit. Ich finde es sehr schwierig, zu sagen, wie man Portfolios umschichten soll anhand dieser Situation. Da will ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
So scheint es vielen zu gehen. Kann die Politik das Spektakel beenden?
Auch das macht mich ratlos. Während der letzten Finanzkrise hatten sich die Republikaner erstaunlich unideologisch gezeigt im Umgang mit Staatseingriffen. Jetzt hat sich das aber um 180 Grad gedreht. Die Vorschläge der Demokraten sind beinahe wie damals die Konzepte der Republikaner. Doch die neu gewählten Republikaner stehen so weit rechts, dass ihnen sogar die radikalen Gegenvorschläge der republikanischen Parteiführung nicht genügen. Meine Hoffnung auf eine Einigung sinkt stetig. Die Verantwortung für diese Situation trägt die Politik.
Ist der Finanzsektor gänzlich unschuldig?
Ausgelöst hat er diese Krise nicht. Und verstärkt auch nicht.
Was haben Sie aus der Betrachtung der amerikanischen Hypothekenkrise vor zwei Jahren gelernt?
Ganz kurz gesagt, dass Leute, die Mühe mit Zahlen haben, auch mehr Mühe mit Finanzkrisen haben.
Und was kann uns die Verhaltensökonomik über die aktuelle Situation lehren?
Dass die relative Ruhe der letzten Tage an vielen Finanzmärkten eben nicht heissen muss, dass ab Dienstag alles okay sein wird oder zumindest nicht so schlimm. Andersherum: Dass noch kein Chaos ausgebrochen ist, heisst nicht, dass alles gut gehen wird. Ich bin sehr gespannt und verfolge ständig die News.
Lorenz Götte
Der 38-Jährige ist Professor für angewandte Mikroökonomie an der Universität Lausanne. Sein Spezialgebiet ist die Verhaltensökonomik.
Als Spezialist für Verhaltensökonomik haben Sie sich zwei Jahre lang im Auftrag der Federal Reserve Bank in Boston mit der Subprime-Krise beschäftigt. Damals taumelten die Aktienmärkte viel mehr als jetzt.
Auch damals waren die Finanzmärkte lange relativ ruhig. Dann kamen Schlüsselereignisse wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers, und die Börsen reagierten blitzartig extrem, vielleicht sogar übermässig.
Die Währungen schwanken. Die Schweizer Börse ist auf einem Zweijahrestief, aber warum sehen wir nicht auf allen Märkten massive Umschichtungen?
Die Handlungsunfähigkeit des Einzelnen hat auch damit zu tun, dass keiner weiss, was kommende Woche passieren wird. Bei einem Bankrott würden die USA entweder ihre Auszahlungen stoppen, was auf der Konjunkturseite Effekte hätte, oder die Rückzahlungen gewisser Darlehen, was zuerst die Zinsen der Staatsobligationen erhöhen würde.
Beides hat völlig unterschiedliche Konsequenzen und niemand weiss, was die Politik entscheiden wird. Vielleicht beides zusammen? Wie also reagieren?
Sie sehen also keine psychologische Komponente im aktuellen Verhalten der Anleger?
Das ist eine objektive, keine subjektive Unsicherheit. Ich finde es sehr schwierig, zu sagen, wie man Portfolios umschichten soll anhand dieser Situation. Da will ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
So scheint es vielen zu gehen. Kann die Politik das Spektakel beenden?
Auch das macht mich ratlos. Während der letzten Finanzkrise hatten sich die Republikaner erstaunlich unideologisch gezeigt im Umgang mit Staatseingriffen. Jetzt hat sich das aber um 180 Grad gedreht. Die Vorschläge der Demokraten sind beinahe wie damals die Konzepte der Republikaner. Doch die neu gewählten Republikaner stehen so weit rechts, dass ihnen sogar die radikalen Gegenvorschläge der republikanischen Parteiführung nicht genügen. Meine Hoffnung auf eine Einigung sinkt stetig. Die Verantwortung für diese Situation trägt die Politik.
Ist der Finanzsektor gänzlich unschuldig?
Ausgelöst hat er diese Krise nicht. Und verstärkt auch nicht.
Was haben Sie aus der Betrachtung der amerikanischen Hypothekenkrise vor zwei Jahren gelernt?
Ganz kurz gesagt, dass Leute, die Mühe mit Zahlen haben, auch mehr Mühe mit Finanzkrisen haben.
Und was kann uns die Verhaltensökonomik über die aktuelle Situation lehren?
Dass die relative Ruhe der letzten Tage an vielen Finanzmärkten eben nicht heissen muss, dass ab Dienstag alles okay sein wird oder zumindest nicht so schlimm. Andersherum: Dass noch kein Chaos ausgebrochen ist, heisst nicht, dass alles gut gehen wird. Ich bin sehr gespannt und verfolge ständig die News.
hannes1 - 6. Aug, 08:30