tages-anzeiger

Samstag, 6. August 2011

«Kein Chaos heisst nicht, dass alles gut gehen wird»

Mit Lorenz Götte sprach Hannes Grassegger


Lorenz Götte
Der 38-Jährige ist Professor für angewandte Mikroökonomie an der Universität Lausanne. Sein Spezialgebiet ist die Verhaltensökonomik.

Als Spezialist für Verhaltensökonomik haben Sie sich zwei Jahre lang im Auftrag der Federal Reserve Bank in Boston mit der Subprime-Krise beschäftigt. Damals taumelten die Aktienmärkte viel mehr als jetzt.
Auch damals waren die Finanzmärkte lange relativ ruhig. Dann kamen Schlüsselereignisse wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers, und die Börsen reagierten blitzartig extrem, vielleicht sogar übermässig.

Die Währungen schwanken. Die Schweizer Börse ist auf einem Zweijahrestief, aber warum sehen wir nicht auf allen Märkten massive Umschichtungen?
Die Handlungsunfähigkeit des Einzelnen hat auch damit zu tun, dass keiner weiss, was kommende Woche passieren wird. Bei einem Bankrott würden die USA entweder ihre Auszahlungen stoppen, was auf der Konjunkturseite Effekte hätte, oder die Rückzahlungen gewisser Darlehen, was zuerst die Zinsen der Staatsobligationen erhöhen würde.
Beides hat völlig unterschiedliche Konsequenzen und niemand weiss, was die Politik entscheiden wird. Vielleicht beides zusammen? Wie also reagieren?

Sie sehen also keine psychologische Komponente im aktuellen Verhalten der Anleger?
Das ist eine objektive, keine subjektive Unsicherheit. Ich finde es sehr schwierig, zu sagen, wie man Portfolios umschichten soll anhand dieser Situation. Da will ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

So scheint es vielen zu gehen. Kann die Politik das Spektakel beenden?

Auch das macht mich ratlos. Während der letzten Finanzkrise hatten sich die Republikaner erstaunlich unideologisch gezeigt im Umgang mit Staatseingriffen. Jetzt hat sich das aber um 180 Grad gedreht. Die Vorschläge der Demokraten sind beinahe wie damals die Konzepte der Republikaner. Doch die neu gewählten Republikaner stehen so weit rechts, dass ihnen sogar die radikalen Gegenvorschläge der republikanischen Parteiführung nicht genügen. Meine Hoffnung auf eine Einigung sinkt stetig. Die Verantwortung für diese Situation trägt die Politik.

Ist der Finanzsektor gänzlich unschuldig?

Ausgelöst hat er diese Krise nicht. Und verstärkt auch nicht.

Was haben Sie aus der Betrachtung der amerikanischen Hypothekenkrise vor zwei Jahren gelernt?
Ganz kurz gesagt, dass Leute, die Mühe mit Zahlen haben, auch mehr Mühe mit Finanzkrisen haben.

Und was kann uns die Verhaltensökonomik über die aktuelle Situation lehren?
Dass die relative Ruhe der letzten Tage an vielen Finanzmärkten eben nicht heissen muss, dass ab Dienstag alles okay sein wird oder zumindest nicht so schlimm. Andersherum: Dass noch kein Chaos ausgebrochen ist, heisst nicht, dass alles gut gehen wird. Ich bin sehr gespannt und verfolge ständig die News.

Die unheimliche Macht

Tages-Anzeiger Grassegger

Der Präsident der USA, des mächtigsten Landes der Welt, hat ein Problem. Er regiert nicht mehr. Er wird regiert. Auch wenn die Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten wohl in letzter Minute abgewendet wird, so bleibt er ein Getriebener.

Hannes Grassegger

Was Barack Obama fürchtet, sind die Ratings, wie er am 25. Juli in einer Rede an die Nation erklärte: «Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes könnte uns die Topnote AAA abgesprochen werden.» Dadurch würden die Investoren weltweit verunsichert, ob die USA weiterhin eine gute Anlage seien. Die Angst kommt nicht von ungefähr: Die grossen Rating-Agenturen hatten mit einer nachträglichen Herabstufung der USA gedroht, wenn der Staatsbankrott zwar abgewendet, aber Obamas Lösung in ihren Augen «nicht nachhaltig» sei. Nun warten alle auf ihr Urteil.

Staaten wie Schüler benotet

Die Ratings, die für Obama zählen, werden von den drei führenden Agenturen ausgesprochen: Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch. Sie bewerten die Fähigkeit, Schulden bezahlen zu können. Wie bei Schulnoten werden alle Leistungen von den Agenturen zu einem Wert zusammengefasst. Das höchste Rating ist Triple A, also AAA. Es bedeutet uneingeschränktes Vertrauen – das genoss die Wirtschaftsmacht Nummer 1 seit je.

Auf dessen Basis liehen selbst die risikoscheusten Geldgeber weltweit der USA Mittel. Solche Investoren – Pensionskassen, Versicherungen oder Banken – folgen den Rating-Agenturen. Oft dürfen sie nur in mit Triple A benotete Anlagen investieren. Verliert ein Kreditnehmer die Höchstnote AAA, müssen sie ihre Gelder abziehen. Das kann für den betroffenen Schuldner zu aufwendiger Kreditsuche, zu immer höheren Zinsen – und in einen Teufelskreis führen.

Wenig transparente Kriterien

Welche Lösung der US-Schuldenkrise «nachhaltig» wäre, entscheiden die Rating-Agenturen aufgrund wenig transparenter Richtlinien. Selbst wenn ihre Note aufgrund fehlerhafter Annahmen ausgesprochen würde, könnte ein negatives Rating wegen der beschriebenen Konsequenzen, das heisst dem Abzug institutioneller Anleger, eine selbst erfüllende Prophezeiung werden, wie eine aktuelle Studie der Hochschule St. Gallen (HSG) bestätigt.

Können die Rating-Agenturen einen so komplexen Staatshaushalt wie jenen der USA, ein Geflecht von Millionen von Verträgen, überhaupt auf eine Note reduzieren? Das bezweifeln laut dem US-Politmagazin «Politico» nicht nur amerikanische Politiker – das bezweifeln auch die Profis an der Wallstreet und die Wissenschaftler der HSG.

Sie haben Grund dazu. Schon vor der Finanzkrise 2007 irrten sich die Rating-Agenturen gewaltig. Ihre Triple-AAA-Bewertungen für später als «toxisch» und wertlos erkannte Schuldverschreibungen (CDO) waren Mitursache des Investmentbooms und der folgenden Geldvernichtung, welche mittelbar die heutigen Staatskrisen verursachte. Während damals Schrottpapiere überbewertet wurden, so werden heute Staaten unterbewertet, klagen die Staatschefs im Euroraum. Und das tun sie laut der HSG-Studie zu Recht. Aber Jammern hilft nicht gegen die Staatsverschuldung. Regierungen in Krisenländern wie Portugal, Irland, Griechenland und Spanien müssen brutale Sparprogramme durchsetzen, um gute Ratings zu erhalten.

Statt den Bewertungen der Rating-Agenturen zu folgen, wettete der skeptische Investor Steve Eisman vor der Finanzkrise 2007 gegen die CDO – und machte so ein Vermögen. Der Einzelgänger hatte sich dazu entschlossen, nachdem er Rating-Agentur-Mitarbeiter näher kennen gelernt hatte. «Die Jungs waren Nobodys», erinnerte er sich in einem Interview, das im Buch «The Big Short» nachzulesen ist. «Sie trugen billige blaue Anzüge mit zu gut passenden Krawatten. Sie waren schlecht bezahlt. Wer das Zeug dazu hat, geht an die Wallstreet.»

Allmächtige Agenturen

Eisman horchte die Rating-Profis aus und erkannte, dass sie blind fehlerhaften Modellen vertrauten. «Sie handelten, ohne gross nachzudenken.» Und sein Investmentpartner bemerkte: «Im Geschäft waren mehr Idioten als Betrüger. Aber die Betrüger waren oben. Und die Rating-Agenturen waren so weit unten wie überhaupt möglich.» Er hielt sie für Idioten. Aber, so Eisman: «Die Leute hatten zusammen mehr Macht als irgendjemand sonst im Anleihenmarkt.»

Weil die Entscheidungen von Millionen Investoren, die Entscheidungen von Regierungen und sogar des Präsidenten der USA von den Rating-Agenturen geleitet werden, besitzen sie eine unheimliche Macht. Glaubt man Eisman, wird die Welt von Idioten regiert. Und das auch weiterhin.

Dienstag, 28. Juni 2011

Neuerscheinung: Maus Messias



„Wir müssen die mitleidslosen Zensoren unserer selbst werden.“ schrieb der französische Post-Strukturalist Alain Badiou. Und John Maus benannte sein Album danach.

Der Messias der Poptheoretiker ist zum dritten Mal erschienen: Die Aufregung um John Maus ist unüberhörbar. Sogar Starfotograf Wolfgang Tillmans eilte zum Maus-Konzert in der Londoner Serpentine Gallery um Bilder zu schiessen.

John Maus feilt derweil zuhause bei der Familie in Austin, Minnesota, an seiner Doktorarbeit. Er studierte unter anderem in Saas Fee an der European Graduate School, wo angesagte Theoretiker wie Slavoj Zizek und Giorgio Agamben dozieren.

Doch man kennt John Maus wegen seiner düster-ironischen Elektropop-Alben „Songs“ (2006) und „Love is Real“ (2007), wegen einprägsamen Lo-Fi Hymnen wie Rights For Gays. Und wegen Maus Herkunft aus LAs Indie-Elite. Der extrovertierte Akademiker war dabei, als man Anfang der Nullerjahre aus den Trümmern gescheiterter Pop-Vergangenheiten einen neuen Westcoast-Sound bastelte. John Maus spielte mit Animal Collectives Panda Bear, mit Ariel Pink und Gary War. Gemein sind ihnen hippiesk-harmonisches Fliessen, treibende Beats, Zitatreichtum. John Maus ist die Nachtseite des Westcoast Sounds.



Auf dem Cover seines neuen Albums strahlt ein Leuchtturm ins aufgewühlte, schwarze Meer. Was der „grosse Popstrukturalist“ (Spex) da strukturiert, klingt wie das wiedergefundene Kassette einer Joy Division Session auf den Party-Balearen. Hinter dem durch die Zeit rauschig gewordenen Synthfunk, dem analogen Elektropop mit den fast housigen Beats, rollt wie schwere See das tiefe, repetitive Grummeln der Mausianischen Slogans. Manchmal hallt sein Gesang hinaus in die drogengeschwängerten Weiten der Ibiza-80s-Nacht, manchmal erhellen kreischende Synths das Dunkel. Dann verdüstern sakrale Orgelwolken die Sicht. Das ist fast tanzbar, fast glücklich, ziemlich dreamy. Und sehr hymnisch. Ein Sommernachtsalbum, warm und erfrischend kühl zugleich.




allowscriptaccess="always" allowfullscreen="true">

Her mit den Abschlussfeiern

Während die Zürcher Hochschule der Künste Ihre Absolventen zelebriert, ist der Studienabschluss an ETH und Uni recht glanzlos. Sollte man das nicht ändern?

Hannes Grassegger

Die Zürcher Hochschule der Künste ZHdK feiert ihre Studenten. Wochenlang luden im Juni Poster mit rotem Kreuz auf weissem Grund die Öffentlichkeit zu Ausstellungen, Konzerten, Filmscreeenings, Theateraufführungen, kurz: zur Präsentation der ZHdK Abschlussarbeiten. Sogar die Presse wird kontaktiert. Nicht nur die ZhdK selber wird zur Ausstellungsfläche, auch bekannte Kulturorte wie die Theaterräume der Gessnerallee und der Roten Fabrik werden bespielt. In den Vorjahren nutzte man die Tonimolkerei und den Güterbahnhof.

Anders die „Diplomfeier“ an der Universität Zürich, Beispiel Wirtschaftswissenschaften. An zwei Stichtagen im Jahr, werden frühabends Titel verliehen. Von 18.30h bis 19.30h erhalten Nachnamen die mit A bis G beginnen, ihre Abschlussurkunde. Absolventen dürfen mit je drei Gästen in der Aula der Universität erleben, wie sich der Dekan, dann ein prominenter Alumni bemühen eine inspirierende Rede zu halten. Es folgt ein musikalisches Intermezzo, später der alphabetische Aufruf der Namen. Vorlaufen, ein freundlicher Händedruck, zwei Sätze, Zeugnis in der Hand, einreihen, lächeln. Nach einer knappen Stunde ist alles vorbei.
Schlimmer noch: Der Untergang der Abschlussarbeiten. Der mühsam erkämpfte Erkenntnisgewinn verschwindet in den Tiefen der Festplatte der Tutoren, ein paar Ausdrucke wandern in die Archive der Zentralbibliothek. Die breite Öffentlichkeit bekommt die Arbeiten nie zu sehen. Wie gerne Absolventen das anders hätten, beweisen boomende Uploadplattformen für Studienarbeiten.

In der Roten Fabrik herrscht grosser Andrang. Die knapp dreissig Masterarbeiten des Studiengangs Master of Fine Arts werden gezeigt. Verwandte, aber auch Fachwelt ist vor Ort. Gallerist Jonathan Garnham aus Südafrika sucht mit Künstler Kerim Seiler nach Talenten für ein Projekt; Benjamin Sommerhalder, Inhaber des Kunstbuchverlages Nieves ist angetan von Zuni Halpern, die auf Postern Computergrafik mit Handgezeichnetem kontrastiert. In einem berstend vollen, kinosaalgrossen Raum wandert das Künstlerkollektiv U5 mit Fantasy-Tiermasken durch eine bizarre Plastiklandschaft, dazu läuft ein Experimentalfilm.

Studiengangsleiter Thomas Müllenbach ist erfreut über das Publikumsinteresse: „Es ist ein gezieltes Kontaktieren der Öffentlichkeit. Kunst braucht Öffentlichkeit. Das ist Teil unseres Leistungsauftrages, zu zeigen, was unsere Jahrgänge erarbeiteten. Wir vergleichen uns mit Bern, Basel und Luzern.“ Deren Kunstschulen stellten sich auch in die Öffentlichkeit. Und wirklich schleichen auch ein paar Berner Galleristen und Kunstdozenten mit kritischem Blick herum.

Im ZHdK Gebäude der Ausstellungsstrasse 60 präsentieren sich die Absolventen von Designstudiengängen wie Grafik, Textil, oder auch die knapp ein Dutzend Arbeiten des Studiengangs Interactiondesign IAD, der Zugänge zur digitalen Welt jenseits der Tastatur erprobt. Ein Blick auf die IAD Ausstellung zeigt jede Menge zukünftiger Geschäftsmodelle. Es gibt Apps für Allergiker, elektronische Hilfsmittel für Schlaganfall-Patienten, ein Windowshopping Tool, mittels dessen Schaufenster zur Einkaufsmöglichkeit werden. Nino Cometti, 27, selber ZHdK-Alumni und Mitgründer der App-Produktionsfirma Dreipol shoppt etwas anderes: er hat Absolvent Simon Müller (siehe Kasten) als Mitarbeiter gewonnen. Die Diplompräsentation verschaffe Arbeitgebern die rare Möglichkeit, Absolventen zu vergleichen und zu kontaktieren, meint er.

Sollten nicht auch ETH und Uni Zürich solche Präsentationen einführen? Der Dekan der Wirtschaftswissenschaften, Prof. Falkinger, empfände dies als unangemessen. Der Jobmarkt funktioniere und „die Universität ist bereits ein öffentlicher Ort, Master und Diplomarbeiten findet man in der Bibliothek.“ Motto der Uni sei zwar „Wissen teilen“, dabei wolle man aber keinen Fokus auf studentische Arbeiten legen. Die Verleihungszeremonie würde von vielen geschätzt als „festlich und sehr schön.“

Prof. Joseph Schwartz von der ETH Architektur zeigt sich hingegen angetan von den Methoden der ZHdK, das sei „ eine wunderbare Plattform.“ ETH-Architekten zeigten bereits in Foyer und Seitenflügel ihre Abschlüsse auf Postern und Modellen, aber ohne persönliche Präsentation. Doch Schwartz sieht es als Teil der Mission des Departments, „gute Architektur unter die Leute zu bringen.“ Weil die Disziplin sich rasant entwickle gäbe es Vermittlungsbedarf. Das sei zudem gutes Training. Nur wieweit das auf theoretischere oder technischere ETH-Studiengänge anwendbar sei? Und ob das mit pro Semester etwa 100 Studenten machbar sei?

Der logistische Aufwand wäre sicher riesig. Die Universität Zürich allein hat etwa elfmal so viele Studenten wie die 2500 ZHdK-Schüler, dabei nur sechsmal so viele Angestellte. Monatelang seien die Vorbereitungen gewesen, viel Stress, teils auch auf Kosten anderer Aufgaben, erzählen ZHdK Studenten am Abend in der Ausstellungsstrasse, Es ist zehn: „heut nacht muss ich noch meine theoretische Arbeit fertigschreiben“, meint ein Jungdesigner und sucht in einem Bier Hoffnung.


Sebastian Schaub,
27, Absolvent Master Fine Arts 2011, ZHdK


Ausstellen heisst sich positionieren. Ich war vor der Eröffnung etwas aufgeregt. Es gab Leute, die richtig mit Verwirrung und Unsicherheit zu kämpfen hatten. Andere wussten genau was tun. Ich habe zwar schon hier und da ausgestellt, aber was mir hier gefällt, ist die Möglichkeit, Freunden und Familie zu zeigen, was ich tue. Ich geniesse, jetzt am Eröffnungsabend bei meiner Arbeit zu stehen und zu sehen ob und wie meine Arbeiten funktionieren für die Besucher. Gleichzeitig ist das hier ein sicherer Rahmen im Gegensatz zu einer kommerziellen Galerie. Kuratiert hat der Studiengangsleiter in Absprache mit den Studenten, unterstützt wurden wir von Dozenten und Assistenten.


Michael Eitle,
25, Student Masterstudium Jus, Uni ZH


Ich werde meinen Mastertitel erst demnächst verliehen bekommen, aber auf die Verleihung freue ich mich. Wir Juristen erhalten unsere Urkunden an einer Feier im Grossmünster, es gibt klassische Musik, alle sind gut gekleidet, im Anschluss folgt ein Apéro. Eine öffentliche Präsentation der Abschlussarbeiten kann ich mir nur schwer vorstellen. Juristen schreiben ein bis zwei Masterarbeiten, die zusammen 30 Punkte ergeben müssen. Sie werden entweder in einem Seminar oder beim Tutor präsentiert, sind aber meist so fachspezifisch, dass ich denke, eine juristische Masterarbeit kann für einen Nichtjuristen kaum von besonderem Interesse sein.

Simon Müller,
25, Absolvent Bachelor Interaction Design 2011, ZHdK


Mein Studienkollege Alain Frapolli und ich haben ein iPhone-Applikation entwickelt, die Einzelnen und Gruppen ermöglicht, ganz einfach Musik zu machen. Die Diplomausstellung war sehr aufwändig, zwar hat unsere Studiengangsleiterin Karmen Franinovic uns sehr geholfen, aber wir müssen währenddessen noch die theoretische Arbeit schreiben, und die Endpräsentation vorbereiten, ich muss nachts noch daran arbeiten. Die Ausstellung war Anreiz, alles zu geben. Und auch ein bisschen Wettbewerb zwischen den Studenten. Was super ist: Wir kriegen User-Feedback. Und ich habe einen Arbeitgeber gefunden!

Dienstag, 26. April 2011

Berstende Hymnen



Ein etwas zerfahrener Auftritt des Hiphop Songwriters Will Wiesenfeld alias Baths zeigte ein Talent in seiner Frühphase.Gebrochene Klänge, die Hoffnung wecken.

Mit melodischen Piano und Gitarren Loops, frickligen Klicker Hiphop-Beats und einprägsam sphärischen Gesangslinien schafft der unter dem Namen Baths auftretende 22-Jährige Hymnen, die durch euphorisch splitternde Lärmattacken stets knapp am Zerbersten scheinen. Ein Wechselbad zwischen Plätschern und Herzrasen. Ziel, so Wiesenfeld, sei „das Optimum aus emotionaler Integrität und experimenteller Elektronik.“ So wie es der seit Kindheit am Piano ausgebildete Heimstudioproduzent bei Björk und den Elektropoppern Lali Puna erkennt.

Mitte 2010 erschien auf dem für oft lärmigen und politischen Anti-Establishment-Hiphop bekannten US-Label Anticon Baths Erstling Cerulean. Dieser erinnert an Acts wie den englischen Klangtüftler Four Tet oder den US Indiepopper Caribou. Auf rollenderen Rhythmen. Cerulean sei Pop, für eine breite Hörerschaft, sagt Wiesenfeld, nun wolle er mehr Tiefe und Komplexität.

Will Wiesenfeld aka Baths

Fröhlich zuckender Pummel mit grossem Musik-Brain


Dies versuchte der alleine, mit Sampler, Laptop und kleinem Casiokeyboard auftretende Kalifornier vergangenen Samstag im Zürcher Stall 6 durch Störattacken und Klangmodulationen an Songs aus Cerulean. Singend und flink an Reglern wie Tasten zog Wiesenfeld einen einstündigen Ablaufplan durch und experimentierte fröhlich zuckend vor sich hin. Auf einen pulsierenden Einstieg folgte rasant technoides Rumpeln, dann ein Liebeslied.

Will Wiesenfeld (Baths)
Ist Wiesenfeld verwandt mit Seth Rogen?

Das junge Publikum schien Wiesenfeld Sprunghaftigkeit und Autismus nicht übel zu nehmen - man hat ja selber 50 Tabs beim Surfen offen. Und mit den Koteletten und den Pausbacken sieht dieser bebrillte Musiknerd auch aus wie der Epigon der Generation Social Network, Schauspieler Seth Rogen. Baths hinterlässt die Hoffung, dass jemand hochkompetentes daran forscht, Indie, Elektro und Hiphop zu einer möglichen Zukunft des Pop zu fusionieren.

Geh hier zu Baths Myspace (<- ich frag mich, wann es endlich eine funktionierende Alternative zu dieser sterbenden Myspace Community gibt...)

Dienstag, 5. April 2011

Arbeitgeber wollen Leidenschaft

Bildschirmfoto 2011-04-05 um 14.10.01

24 Firmen buhlten an der Universität Zürich am Career Day um hochqualifizierten Nachwuchs.

Von Hannes Grassegger

Langsam rollt die Welle der Studierenden an. Anna-Rebecca Sukkau (25) hofft, dass sie sich richtig vorbereitet hat, dass sie die vielen Fragen, die an der Karrieremesse über sie hereinbrechen werden, richtig beantwortet. Und dass sie beim Nachwuchs Interesse für ihr Unter- nehmen wecken kann.

Für die Studentinnen und Studenten, die an diesem Mittwoch an den Career Days im Lichthof der Universität Zürich durch die Reihen der Unternehmens- Stände strömen, ist die schlanke blonde Frau das reale Gesicht eines potenziellen Arbeitgebers. Rebecca Sukkau verkörpert einen Konzern mit 64 600 Ange- stellten in 130 Ländern: das Kosmetik- unternehmen L’Oréal.

Riesige Firma

Sukkau ist «HR Marketing»-Verantwortliche von L’Oréal Schweiz mit Sitz in Genf. Seit einem Jahr hat sie diese Stelle. «Meine Hauptaufgabe ist es, Studentinnen und Studenten zu treffen», erklärt die Absolventin der London School of Economics. Besonders an solchen Prä- sentationen sei sie Dienstleisterin: «Ich soll Fragen beantworten und registrieren, was potenzielle Mitarbeiter für Fragen zu L’Oréal im Kopf haben.» Das helfe dem Unternehmen, die Stimmung im Markt zu erkennen.

Acht solcher Karrieremessen hat die junge Personalerin pro Jahr an verschiedenen Universitäten zu besuchen, daneben Workshops, Auftritte in Vorlesungen und Unternehmenspräsentationen. Auch an diesem Schlusstag der Zürcher Messe stellt Sukkau ihr Grossunterneh- men vor.

Sukkau vertritt aber nicht nur ein riesiges Unternehmen, sondern auch eines, das sehr verschiedene Karrierepfade er- möglicht. An der Uni Zürich gibt es Studenten der verschiedensten Fachrichtungen und mit unterschiedlichsten Interessen. Die Herausforderung besteht nun darin, Angebot und Nachfrage einander näherzubringen.

Männer besonders gefragt

In ihrem auf Englisch gehaltenen Frontalvortrag führt Sukkau die Zuhörer – knapp zwanzig Frauen und drei Männer – durch die Unternehmensstruktur und Produktpalette des Kosmetikunternehmens. Es ist mucksmäuschenstill, viele sind eigens für die Präsentation gekommen. «Sie werden immer wieder das Wort ‹Passion› hören», sagt Sukkau, «Leidenschaft für die Aufgabe ist zentral für uns.»

Um gezielt Männer für L’Oréal zu interessieren, hebt sie hervor, wie viel ökonomisches Feingefühl für alle Stellen benötigt werde. Etwa ein Drittel der Mit- arbeiter in der Schweiz sind Männer. Dann erzählt sie von «Fast Track Ca- reers», die bei L’Oréal möglich seien. Ge- sucht für die über dreissig Einstiegs- praktika pro Jahr würden nicht nur Wirtschaftsabsolventen. «Auch für eine Literaturstudentin mit Praxiserfahrung im Verkauf könnte das Praktikum interes- sant sein.» Der «Fast Track» bei L’Oréal, die Einstiegspraktika, sind eine Art kurzes, sechsmonatiges und betreutes Traineeprogramm, in dem die Praktikanten durch mehrere Abteilungen des Unternehmens geführt werden.

Nach dem Vortrag wird Sukkau umringt von Fragestellerinnen. Eine junge Frauen im apricotfarbenen Deuxpièces meint es besonders ernst. So ziehen sich auch Studentinnen der Uni Zürich nicht jeden Tag an. Die junge Frau würde am liebsten gleich anfangen: Ob man bei L’Oréal französisch sprechen müsse und wie man sich für Auslandsstellen bewerben könne, fragt sie.

Firmenmessen wie die Career Days sind selten der erste Schritt ins Berufsleben. Sie liefern keine tiefen Einsichten oder wirklich direkten Kontakt zum Unternehmen. Vielmehr gibt es ein oberflächliches Kennenlernen, bei dem man ein paar Worte mit Firmenmitarbeitern wechseln, einfache Fragen stellen kann, ohne dass sie einem krumm genommen werden. Die Firmen werben für sich, machen kleine Geschenke wie Stifte oder Täschchen. Alles ist Hochglanz, während man sich als Student nicht in Schale werfen muss. Zweiter Vorteil: man kann die Stimmung eines Unternehmens erspüren. Rekrutiert wird im Rahmen der Career Days von L’Oréal nicht. Gleich abgewiesen werden jene, deren berufliche Ziele sich im Kosmetikunternehmen nicht erreichen lassen.

Alles sehr junge Leute

Derzeit seien die Bewerber nicht knapp, sagt die Personalverantwortliche. Wie bei allen anderen 24 an der Karriere- messe vertretenen Unternehmen steht auch bei L’Oréal neben Sukkau auffal- lend junges Personal Rede und Antwort. Zwei von ihnen erzählen, wie sie sich selber als Studenten in den Standbesuchern wiedererkennen würden. Beide finden die Messe sinnvoll. «Man sieht sonst überall nur die Imagekampagnen der Unternehmen», sagt der 27-jährige L’Oréal-Angestellte Eren Karakus. Hier könne man sich mit echten Unterneh- mensmitarbeitern unterhalten, das Image hinterfragen.

Nicht nur Finanzbranche

Genau dafür organisiert der internationale Studentenverband Aiesec seit Jahren Career Days. Auf Freiwilligenbasis, von Studenten für Studenten. Der direkte Kontakt mit jungen Angestellten der Unternehmen, so Präsidentin Mirella Haldimann, garantiere einen Nut- zen für Studierende, die am Anfang ihrer beruflichen Karriere stünden.
Die Firmenmesse an diesem Mittwoch bezeichnet Mariella Haldimann als Finale einer einwöchigen Serie von Informationsveranstaltungen und Firmen-Workshops. Nicht alle hielten es dabei so wie L’Oréal. Einige würden auch direkt rekrutieren und Absolventen anstellen. Um für alle Studienrichtungen interessanter zu werden, wünscht sich Aiesec künftig mehr Firmen ausserhalb der Finanzbranche.

Die Bank- und Finanzbranche stellt weit über die Hälfte der Stände. Zudem steht dort auch am meisten Personal. Bei den Beratungsunternehmen Ernst & Young und KPMG findet man junge Wirtschaftsprüfer, Berater, Personaler, Ac- countants. Hier gibts Marker zum Mitnehmen, und Ernst & Young präsentiert eine schicke Lounge mit halbrundem Sitzkreis. Ein wenig verlassen dagegen wirken die kleineren Stände, oft von Personalagenturen, deren Namen Studenten kein Begriff sind und bei denen man sich schwer vorstellen kann, wen genau sie ansprechen wollen.

Zuckrige Stimmung

Bei L’Oréal ist klarer, welche Leute ge- fragt sind. Hier gehts um Produkte, Mar- keting und Glamour. Von Morgens um neun bis Veranstaltungsende um halb fünf kommen konstant Interessenten. Etwa jeder Dritte, der am halbkreisför- migen L’Oréal-Stand stehen bleibt, spricht die Firmenvertreter an. Um die hundert Gespräche erwartet Sukkau am ganzen Tag. Ganz selten werden dabei Visitenkarten ausgehändigt.

Die Stimmung ist bei den meisten Erstkontakten sehr zuckrig. Andere fordern die Firmenvertreter auch heraus, stellen schnippische Fragen nach Arbeitszeiten und Tierversuchen. Manche scheinen zum Flirten gekommen zu sein. Wieder andere schnappen sich einfach die Lippenstiftproben und gehen in den Mittag.

Freitag, 4. März 2011

Konsument Böni hat sich verwählt

(Reihum Konsumentenschutzkolumne im Tages-Anzeiger. Bekannt für ihre knochentrockene Coolness.)

Der Böni weiss, wie er Rappen sammelt. Doch jetzt hat er Angst, dass sein Geiz ihm zum Verhängnis wird. Seiner Kreditkartenabrechnung jeden Monat sieht er mit Sorgen entgegen. Weil er online bei der Migros sein M-Budget-Mobile-Pre-paid-SIM-Kärtchen aufgeladen hat. Mit der Kreditkarte. Dabei hatte Böni sich ausgerechnet: Mit Migros-Budget-Prepaid würde er auch Zeit sparen.

Schwupps Nummer und Karte in die Website eingegeben, aufgeladen und lostelefoniert, so hatte der Migros-Verkäufer versprochen. Bei Verlust der Karte wäre nur das Guthaben weg. Eine sichere Sache!

Aber dann hatte er mit komischen Störungen auf der Migros-Seite zu kämpfen. Erst änderte sich der Link. Dann tauchte ein Sicherheitszertifikat auf der Nachladewebseite auf, dass man «Visa verifided» sei. Ein Misstrauen erweckender Schreibfehler. Immer öfter brach die Seite den Kontakt ab, war unerreichbar, lud ewig, zeigte Fehlermeldungen – auch nachdem Böni die Kartennummer eingegeben hatte. Vier Tage lang im Januar scheiterte Böni an der Seite. «Wenn die Migros das nicht hinkriegt, kaufe ich bei ihr nicht mehr online», schwor er sich.

Als Böni die Migros beunruhigt fragte, was los sei, antwortete diese: «Es ist ein M-Budget-Mobile-Prepaid-Online-spezifisches Problem. Nach detaillierten Analysen haben wir keine Hackerangriffe feststellen können. In der Zwischenzeit wurde der Fehler entdeckt und behoben. Die Seite funktioniert wieder einwandfrei.» Der Schreibfehler im Zertifikat blieb allerdings. Ob so die Sicherheit wirklich garantiert wird, fragt sich Böni? (hsg)

Montag, 31. Januar 2011

Das Für und das Wider der Beraterei

Hinter vorgehaltener Hand klagen viele Jungberater. Andere finden's hart - aber gut

Es klingt wirklich toll, wenn Moritz*, 29, am Telefon von seinem aktuellen New York Aufenthalt erzählt. Seit ein paar Monaten ist der studierte Philosoph für ein zweijähriges Programm zum Master of Business Administration in der Metropole. Es sei intensiv, viel zu lernen, aber super hier, jubelt Moritz..

Zum Artikel im Tages-Anzeiger


Infotext: Die Beraterbranche in der Schweiz.



Hunderte neuer Stellen, Frauen werden gefördert.


Berater ist, wer als Aussenstehender betriebswirtschaftliche Probleme analysiert, aufbereitet und mit dem Kunden löst, definiert Robert Busin, IBM EMEA Executive und Vorstandsmitglied des Schweizer Beraterverbandes ASCO. Die ASCO vereint Schweizer MCs, Management Consultants, umgangssprachlich: Unternehmensberater. Personalberater, Versicherungs- oder Finanzberater fallen beispielsweise nicht in diese Sparte.

Die Beraterdichte sei nirgendwo so hoch wie in der Schweiz, schreibt die ASCO in einer Studie, etwa 3500 Schweizer Berater gibt es schweizweit. Ihr Jahresumsatz sei - nach leichtem Rückgang im Krisenjahr 2009 mit einem Umsatz von knapp 1,25 Milliarden Franken – 2010 um fünf bis acht Prozent, gewachsen. Aktuell geht die Anzahl der freien Berater geht tendenziell zugunsten grösserer Betriebe zurück. Die zwanzig grössten Beratungsunternehmen, Namen wie Accenture, IBM, Boston Consulting, McKinsey, erzielen etwa 70 Prozent des Branchenumsatzes.

Neun von zehn untersuchten Grossunternehmen setzten 2010 auf externe Beratung. Banken, Versicherungen, dann die Konsumgüterindustrie, der Detailhandel und die Energiebranche waren dabei Hauptkunden der Berater.
Die drei grossen Beratungsfelder gliedern sich in Strategie, Organisations- und Prozessoptimierung sowie Technologieberatung. Während im Krisenjahr 2009 Berater häufig Kosten- und Effizienfragen bearbeiteten, sieht Busin nun auf Kundenseite Nachholbedarf bei langfristigeren Wachstums- und Strategiefragen.

2011 setzt Busin auf hunderte neuer Stellen für junge Consultants. Gesucht seien leistungsorientierte „Performer“ mit hoher Selbstständigkeit. „Was vor allem zählt, ist das Resultat.“ Der Beraterjob erfordere eine überdurchschnittliche Flexibilität. Wochenenden und Abend könnten dem zum Opfer fallen. Auch der variable Lohnanteil erreiche bei Anfängern, mit einem Jahreslohn zwischen 75.000 und 95.000 Franken, bis zu ein Drittel. Busin selber locken die Teamarbeit und intellektuellen Herausforderungen des Berufs.

Neulingen bieten grössere Betriebe mehr Planbarkeit in Punkto Karriere und Kundentypen, kleinere Firmen aber erlauben schnelleren Zugang zu Entscheiderpositionen. Für Frauen bieten sich besonders gute Perspektiven. Nur jeder fünfte Berater, bedauert Busin, sei eine Frau. Vor allem grosse Beratungsfirmen förderten daher gezielt die Damen.

Frauenevent bei Deloitte in Österreich


Profil: "Was muss ein Berater mitbringen"


Interview Elisabeth Ziller, Leader Human Capital Marketing & Recruitment
, PricewaterhouseCoopers AG

- Frau Ziller, PwC ist derzeit auf der Suche?

Ja! Wir suchen in diesem Jahr etwa 20 junge Consultants für die Wirtschaftsberatung.

- Was muss ein aussichtsreicher Bewerber mitbringen?

Einen sehr guten Hochschulabschluss, am besten einen Mastertitel. Der Abschluss sollte wirtschaftliches Sachverständnis garantieren und bestenfalls eine Vertiefung ausweisen im Einstiegsbereich. Studienschwerpunkte wie Finance und Accounting, Corporate Finance, Wirtschaftsinformatik, Strategy and International Management oder Wirtschaftsrecht finden wir interessant. Da wir uns in einem internationalen Umfeld bewegen, sind Auslandserfahrungen von Vorteil und gute Englischkenntnisse Voraussetzung.

- Und Bachelors?

Wir berücksichtigen gerne Studenten mit Bachelorabschluss, wenn sie fundierte Fach- oder Branchenkenntnisse aus der Praxis mitbringen, beispielsweise mehrjährige Arbeit bei einer Bank.

- Wie stellen Sie sich Ihre Leute denn so vor?

Sehr motivierte und engagierte Team Player, die selbständig und vor allem zielorientiert arbeiten. Flexible Menschen, die Neuem gegenüber offen sind, sich in wechselnden Teams und an verschiedenen Orten wohlfühlen, in hektischen Situationen Überblick bewahren und unternehmerisches Flair besitzen.

- Keine Nerds?

Nicht im klassischen Sinn. Zwar suchen wir leistungsorientierte Mitarbeiter, doch Consultants sollten in erster Linie kommunikative Persönlichkeiten sein und ein souveränes Auftreten haben - intern sowie gegenüber Kunden. Menschen, mit denen es Spass macht, zusammenzuarbeiten. Die ihr Umfeld inspirieren und bewegen. Arbeitskollegen, mit denen man auch mal auf einen Drink nehmen kann.

- Welcher Drink empfiehlt sich 2011: Champagner oder Kamillentee?

Ich glaube eher Champagner.



Video: Personalberatung P&P "Your Partner for Success"

Donnerstag, 20. Januar 2011

Tür zu im Black Music Himmel

Klemens Wempe schliesst nach 13 Jahren seinen Schallplattenladen Sonic Records. Als DJ bringt er seine Musik aber weiter unters Volk.

Von Hannes Grassegger

Es sind die allerletzten Tage des Sonic Records, des kleinsten aller Zürcher Plattenläden. Traurig sieht Inhaber Klemens Wempe aus, wenn er zum Abschied noch einmal sagt: «Bis bald.»

Ein Nachmittag im Lokal nahe der Bäckeranlage ist vorbei. Stundenlang wanderten die Hände durch Plattenkisten, verlor man sich in Kisten unerhörter Welten. Platte rausziehen, 300 Gramm auf der Hand. Cover anschauen, innen schwarz-glänzendes Vinyl.

«Was ist das, Klemens? Kommen die nicht von... Aha! Mal reinhören. Aber zu Deinem Nachruf – Hast Du Tipps für Plattenhändler?»

Doch Ratschläge will Wempe nicht hinterlassen. Was gäbe es auch zu sagen? Jeder wisse, dass Tonträger heute Liebhaberobjekte seien, Plattenläden über kurz oder lang schlössen. Schon 1997, als Sonic Records eröffnete, sei das vorhersehbar gewesen. Plattenläden seien Liebhabereien, viele Betreiber in Zürich finanzierten sich quer. Durch Gastronomie, Modeecke oder Versicherungsjob, verrät der gebürtige Lausanner, der seinen Laden zuletzt mit DJ-Gagen subventionierte. Wenn Klemens Wempe eine Idee hätte, wie sein Traumberuf zu retten wäre, würde er nicht zumachen. «Musik ist das Ding!», sagt er.

Glücklich beim Diggen

Er habe sich 13 Jahre Entdecken finanziert. Es sei wie Weihnachten, wenn das Paket vom Vertrieb komme, man die Scheiben erstmals in der Hand halte, reinhöre, entdecke. Und dann sei da der Glücksmoment, die Freude zu teilen, jemandem auch zu einer Entdeckung zu verhelfen, gemeinsam tiefer einzutauchen. Auch in die kulturellen Aspekte. Wempe zeigt auf die Bücher und DVD Ecke. Ein Bildband voller Plattencover, ein politisches Buch des Graffiti-Writers Upski. Die guten Gespräche über Musik und Kultur wird er vermissen.

Wempe liegt der Handel mit Kulturgut im Blut. Er kommt aus einer Buchhändlerfamilie. Am liebsten aber hatte er das «diggen», das Suchen in Plattenläden. «Buchhändlerei war nur Pflicht.» Nach der Lehre im Obwaldner Sarnen zog der 18-jährige dahin, wo die Musik spielte: Zürich, 1984. Wo es Experimentelles, Indie und Wave gab, wühlte sich der Jüngling glücklich durch die Plattenkisten. Er arbeitete in der Züri-Bar zum Sound seiner Tapes, begann aufzulegen. Dann kam der Traumjob im Plattenladen Halbtanz an der Josefstrasse. Als dieser schloss, eröffneten die beiden Ex-Halbtanzler Wempe und Lukas Weyermann den winzigen Sonic Records.

Wempes Spezialgebiet war mittlerweile Black Music: Hiphop, Funk, Soul. Weyermann war der Punk- und Hardcore-Fan. Jeder hatte seine Ecke. Langsam baute man auf, Kiste für Kiste, alles ohne Kredite. Aber auch ohne Profit. Nach einem Jahr war Wempe alleine. Doch der Hiphop-Boom half, Sonic wuchs, immer ein bisschen. Bis ab 2005 das Geschäft wegbröckelte. Das ganze Jahr 2010 brauchte der ruhige Hüne, um endgültig loszulassen. Ende Januar, nach dem Ausverkauf, ist es vorbei.

Vermittler von Musikkultur

Weitermachen wird Klemens Wempe erstmal als Veranstalter von Partyserien wie Soul Stew und Freak Beat im Zürcher Helsinki. Und als DJ. Allein diese Woche legt er dreimal auf: Als DJ Soulsonic in Biel, als Herr Wempe in St. Gallen und dann noch in Winterthur. Während der Umsatz einbrach, stieg Wempe als DJ auf.

Man schätzt Klemens Wempe als Vermittler von Musikkultur. Im Sonic Records traf man neben Rappern auch Kunstprominenz wie Peter Fischli und Urs Fischer. Wie man freudvoll Musikkultur vermittelt, zeigte Wempe, als er mit DJ und Grafiker Ivan Sterzinger die international erfolgreiche Veranstaltungsreihe Raphistory entwickelte. Einen tanzbaren Mix aus Party und Lehrveranstaltung; 30 Jahre Rapgeschichte, mit Fanzines, Videos, Kassettenmitschnitten. Aktuell laufen Raphistory «Vorlesungen» in Biel, St. Gallen und Warschau.

Kunden tröpfeln herein. Interessiert betrachtet Klemens einen Plattenstapel. Bald hat er Zeit. «Ich freu mich drauf, wieder mal in aller Ruhe diggen zu gehen.»

Samstag, 18. Dezember 2010

Easy Eritrea Trip

Ein jüngst erschienenes Album der Asmara Allstars erschliesst einen vielfältigen, hierzulande beinahe unbekannten Musikkosmos.

Hannes Grassegger

Da scheppert und kratzt nichts. Und Synths findet man keine. Stattdessen weht dem Hörer des ersten Albums der eritreischen Jazzformation Asmara Allstars ein cleaner Fahrtwind aus westlicher, arabischer, afrikanischer und asiatischer Musik entgegen, getragen von einer steten Brise Reggae und Funk. Klar, entspannt, etwas abenteuerlich. Klingt so Eritrea?

Nicht ganz. Man habe einen neuen eritreischen Bandsound erschaffen, schreibt Bruno Blum, der französische Produzent des „Eritrea’s got Soul“ betitelten Debuts der von ihm in der Hauptstadt Eritreas zusammengestellten Studiogruppe. „Eine informierte, traditionsgeladene, elektrische Musik zwischen Big Band, eritreischem Jazz, Soul und Roots-Reggae“. In acht Landessprachen wird gesungen, regionale Stile werden mit Reggae gekreuzt oder Bass unterlegt, Bloom Brothers Mood, das Finale der CD klingt, als würde Wes Montgomery mit Äthiopiern über einen Bossa Standard jammen. Seit jeher ein heikles Feld, Fusion-Projekte von Westlern mit afrikanischen Musikern.

Allerdings haben unlängst der distinguierte Vibraphonist Mulatu Astatke mit dem Either/Orchestra oder der freidenkerische Saxofonist Getatchew Mekurya mit den holländischen Avantgarde Punkern The Ex bewiesen, wie mitreissend solche Kooperationen im Jazzbereich mit Äthiopiern klingen können. Weltweit Bekanntheit erlangte der Ethio-Jazz 2005 durch Yekermo Sew, das melancholische, spannungsgeladene und doch leichte Instrumental von Mulatu Astatke in Jim Jarmuschs Vater-sucht-Sohn Film Broken Flowers.

Schon seit 1999 hatte die „Ethiopiques“ Reihe des Buda Labels die Exzellenz des äthiopischen Jazz belegt. Einige der dort aufspielenden Musiker kamen eigentlich aus Eritrea, das sich erst 1993 nach dreissigjährigem Unabhängigkeitskampf von Äthiopien unabhängig erklärt hatte. Man teilt die typischen Bigband Bläsersätze; die für die subtile Mysteriösität der Musik verantwortliche, auch in Japan auffindbare Mollpentatonik; ebenso die derart gestimmte 5-saitige Krar, eine der griechischen Lyra ähnliche Harfe mit Resonanzkörper.

Das Album der Asmara Allstars ist nichts für linientreue Puristen. Und ist genau daher ein doppelter Erfolg. Zu allererst macht es auf angenehme Art den hierzulande beinahe unbekannten eritreischen Musikkosmos in seiner Vielgestaltheit zugänglich. Blums etwas generischer Soundteppich führt sanft zu der in ihrer Eigenheit unantastbaren Musiktradition und auch zu Entdeckungen wie dem aufregenden Soulfalsett des Jungstars Temasgen Yared, der im wunderbaren Ykre Belni druckvoll und zischend antritt, die These des Albums zu beweisen: Eritrea's Got Soul.

Der zweite Erfolg besteht darin, für die isolierten eritreischen Musiker eine Tür aufgestossen zu haben, Inspiration zu bringen. Während Äthiopien im Rampenlicht steht, hat Eritrea sich von der Welt abgewendet. Eine Einheitspartei reguliert strikt die Leben der 5,8 Millionen Eritreer. Mit einem pro Kopf Einkommen von 700 Dollar im Jahr liegt das Land auf Platz 224 von 229. Die Musikbranche wird staatlich kontrolliert, weil sie wichtiges Medium für soziale und damit politische Bewegungen sein kann. Traditionen spielen eine grosse Rolle.

Blums Vorgehen war ein Skandal. Den ihm vom Staat vorgeschlagenen Musikern gab der Alt-Punk und Ex-Bob Marley Produzent vor, Gwaila, den eritreischen National-Beat schlechthin, durch eine Bassline zu ergänzen, auf Keyboards zu verzichten, analoge Klänge einzusetzen. Zaghaft spielten diese mit. Als die Behörden das Resultat „Eritrean Girl“ vernahmen, blockierten sie das Projekt.

Blum blieb zäh, auch die Musiker hatten Gefallen gefunden am neuen Ansatz. Nach drei Wochen ging es weiter, immer besser funktionierte der Austausch. Herauskam ein empfehlenswertes Album. Nicht ganz ein eritreisches Buena Vista Social Club, doch ein angenehmer Trip in neue Gefilde.

Anfang Oktober fand das Releasekonzert in Asmara in einem alten italienischen Kino aus der Kolonialzeit statt. Einen passenderen Ort zum gemeinsamen Träumen hätte man sich nicht aussuchen können. Stilecht verboten die Behörden den angereisten Journalisten den Auftritt zu filmen.


Asmara Allstars Myspace



Tages-Anzeiger Version

Suche

 

Aktuelle Beiträge

Mein Buch: Das Kapital...
Unsere Daten müssen uns gehören. Diese einfache Idee...
hannes1 - 11. Jul, 10:25
Gerald Loeb Award for...
Incredibly honored. Infos here.
hannes1 - 4. Jul, 16:37
Hannes Grassegger - Economist
Hannes Grassegger Photo: Felix Grisebach Twitter:...
hannes1 - 26. Jun, 20:29
3sat "Kulturzeit"
"Opa hat keine Lösung" – Meine Kritik des neuen Jaron...
hannes1 - 6. Jun, 15:15
Events 2018
Here is my schedule for 2018. I am just starting...
hannes1 - 5. Jun, 23:10
Neue Publikationen 2018
Juni: - Das Kapital bin ich. Kein & Aber Verlag....
hannes1 - 4. Mai, 15:34

RSS Box

Status

Online seit 6730 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 1. Sep, 08:36

ABOUT & CONTACT
Abstrakt
akademische mitteilungen
AlJazeera
apparel resources India
ARTE
Arts Exhibitions
Auftritte
Beobachter
brand eins
Business Punk
Campus Verlag
Capital
CNN International
Das Magazin
Die Südostschweiz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren