Beobachter

Montag, 10. Mai 2010

Lehmhäuser für die Bevölkerungsexplosion

Äthiopien wie wir es kennen, wird es bald nicht mehr geben. Einmal weil innert 15 jahren die Bevölkerung um fast 50% wachsen wird. Und zweitens weil nun die Schweizer dort unten Häuser bauen.

Äthiopien steht vor einer Bevölkerungsexplosion: Um rund 45 Millionen soll die Bevölkerung bis 2025 wachsen – auf etwa 130 Millionen. Die Hauptstadt Addis Abeba mit heute 2,8 Millionen Einwohnern wird bis 2025 zur Mega-City mit zirka 8 Millionen Bewohnern wachsen. Ein riesiges Problem – auch für die Umwelt.

Derzeit helfen dort Schweizer Städteplaner und Architekten, günstigen und ökologischen Wohnraum zu entwickeln. Ein Resultat der Kooperation sind mehrstöckige Betongerüste, die die Bewohner selber zu Wohnblöcken ausbauen können.

Sudu, der Name eines anderen Projekts der ETH Zürich, steht für nach- haltige städtische Siedlungseinheit. Mit Planern der Uni Addis Abeba entwickeln die Architekten nun ein Stadthaus-Modell nur aus gepresstem Lehm. Die 80 Quadtratmeter grossen Häusern mit zwei Etagen sollen so um rund 60 Prozent günstiger sein als herkömmliche Bauten. Auch die ETH profitiert von der Kooperation: Ende Juni reisen Studenten aus der Schweiz nach Äthiopien, um zu lernen, wie Architekten mit Bevölkerungsdruck und Geldknappheit umgehen.

Link: http://www.block.arch.ethz.ch/index.php?pageID=22&itemID=19

Sonntag, 18. April 2010

Klein und Gross

Die Better Cotton Initiative, ein Verband aus Industrie und Umweltschützern will weltweit einen neuen Ansatz zur nachhaltigen Produktion von Baumwolle einführen.

Für den Beobachter Natur von Hannes Grassegger

In diesen Wochen beginnt in Indien, Pakistan und Westafrika die Aussaat für eines der ehrgeizigsten Landwirtschaftsprojekte der Gegenwart. Die neue Baumwollqualität «Better Cotton» soll weltweit etabliert werden. Ziel ist die langfristige Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bedingungen im Baumwollanbau.

Hinter dem Projekt steht der Mitte 2009 gegründete und in der Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannte Schweizer Verein Better Cotton Initiative (BCI) – ein Verbund aus global agierenden, ehemaligen Gegenspielern und Konkurrenten wie etwa dem WWF, dem Pestizid Aktionsnetzwerk (PAN) sowie Textilanbietern wie Nike, Adidas und H&M. Auch Baumwollverbände – etwa die westafrikanische Aproca – engagieren sich in dieser sogenannten «Multi-Stakeholder-Initiative», wie man Verbände von Interessengemeinschaften mit divergierenden Zielsetzungen nennt. Ihr Ziel: messbare Verbesserungen im Baumwollanbau – und zwar weltweit. Bis 2012 sollen mindestens 100’000 Farmer BCI-Baumwolle produzieren. Und es wird ein Weltmarktanteil von 1,3 Prozent angestrebt: Dies wäre das Doppelte dessen, was die Biobaumwolle in 20 Jahren erreicht hat.

Ein grosser Plan

Die BCI hat sich einiges vorgenommen, denn der Baumwollmarkt ist riesig: Rund 300 Millionen Menschen sind in der Baumwollindustrie tätig. Riesig sind auch die im Anbau benötigten Mengen an Chemikalien. Terry Townsend, geschäftsführender Direktor des Weltbaumwollrats ICAC (International Cotton Advisory Committee), schätzt, das pro Million Tonnen Baumwolle über 400’000 Tonnen Dünger und Pestizide benötigt werden. Weltweit werden jährlich rund 24 Millionen Tonnen Baumwolle produziert. Weil der begehrte Stoff vor allem in heissen und trockenen Gegenden angebaut wird, ist der Wasserverbrauch enorm. Ausserdem handelt es sich bei beim grössten Teil der über 80 Produktionsländer um Entwicklungsländer, neun von zehn Baumwollfarmen sind Kleinbetriebe.

Baumwolle ist nicht nur eines der umweltschädlichsten Agrarprodukte, auch die Arbeitsbedingungen im Anbau sind vielerorts prekär. Seit den frühen 1990er Jahren engagieren sich Bio- und Fairtrade-Organisationen für verbesserte Anbaumethoden, die Bodenerosion und Grundwasserverseuchung möglichst verhindern, und setzen sich für faire Löhne ein. Mit einigem Erfolg: Mittlerweile haben rund 220’000 Farmer von der herkömmlichen auf Biobaumwollproduktion umgesattelt. Trotzdem macht der Anteil der Bio- und Fairtradebaumwolle auf dem globalen Markt nur gerade 0,7 Prozent aus.

«Gut, aber zuwenig», sagt Walter Wagner vom WWF Schweiz und BCI-Mitgründer. Der Baumwollanbau sei neben der Reis- und Zuckerproduktion der wichtigste landwirtschaftliche Stressfaktor für das Ökosystem, vor allem für Wasser. Wasser und Wasserverbrauch seien jedoch entscheidend für die Artenvielfalt. Deshalb setze das BCI-Konzept auf Breitenwirkung: «Wir wollen die weltweiten Durchschnittswerte beim Pestizideinsatz und beim Wasserbrauch deutlich senken.» Wie die bisherigen Bio- und Fairtrade-Initiativen verfolgt auch BCI ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele. Dazu wurden Vorschriften entwickelt, die den Farmern ökologische, aber auch arbeitsrechtliche Orientierung bieten sollen. Die Umsetzung der Kriterien ist jeweils lokal angepasst. Partnerorganisationen in Indien, Pakistan, Brasilien sowie West- und Zentralafrika sollen die Farmer ermutigen, das Better-Cotton-System einzuführen. Ob sich die Farmer an die Regeln halten, wird durch ein mehrstufiges Prüfungssystem kontrolliert. Besteht der Anbau die Prüfung, werden die fertigen Baumwollballen als Better Cotton zertifiziert.

Für, nicht gegen den Massenmarkt

Auf den ersten Blick erinnern die Anliegen der Better Cotton Initiative an jene herkömmlicher Bio-und Fairtrade-Initiativen – mit einem gewichtigen Unterschied: Die BCI setzt auf den Massenmarkt. Organisationen, die die Bio- und Fairtradeproduktion fördern, bedienen dagegen eher Nischenmärkte. In der Textilbranche werden Bioprodukte denn auch als zu teuer bezeichnet und Fairtrade als schwer vereinbar mit der Produktionsweise auf Grossfarmen.

In der Biobaumwoll-Szene stösst die neue Initiative nicht nur auf Gegenliebe. Denn BCI lässt den Handel mit Gentech-Baumwolle ebenso zu wie den Einsatz von synthetischen Pestiziden, wie etwa dem umstrittenen Insektenvernichtungsmittel Endosulfan. Die niedrigeren «Eintrittsbarrieren im Vergleich mit Bio» seien Konzept, erklärt WWF-Vertreter Walter Wagner. «Die Better Cotton Initiative versucht, für so viele Farmer wie möglich eine echte Option zu werden.»

Lebensfremde Vorschriften?

Die Vorschriften, die sich die BCI zum Umgang mit Pestiziden gegeben habe, «sind völlig lebensfremd und daher nichtig», kritisiert Steffi Ober, Gentech-Expertin beim Deutschen Naturschutzbund (Nabu). Die BCI fordert zum Beispiel einen Aufdruck der Chemikalienverpackungen in Landessprache. Das sei «ein Witz», angesichts der hohen Analphabetenrate in Burkina Faso, wo BCI aktiv ist, sagt Ober. «Die sachgemässe Lagerung, Ausbringung und Entsorgung von Pestiziden sind kompliziert, fehler- und störungsanfällig – das passt für Entwicklungsländer einfach nicht.» Auch Landwirtschaftsexpertin Marianne Künzle von Greenpeace Schweiz meint: «Was die Landwirtschaft in Entwicklungsländern benötigt, ist fundamentaler Wandel. Den liefert BCI nicht.» Die Fördergelder, so Künzle, seien im Biobereich besser investiert. Auch für den Schweizer Biobaumwollpionier Coop ist BCI derzeit «kein Thema», die Migros dagegen ist im Boot.

Staatliche Unterstützung von BCI - und Bio

Namhafte finanzielle Unterstützung erhält die Better Cotton Initiative vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das eine Anschubfinanzierung von bisher 800’000 Franken geleistet hat. Hans-Peter Egler, beim Seco Ressortleiter Handels- und Umweltechnologiekooperation, sieht in der Förderpolitik des Bundes, der auch die Bioproduktion subventioniert, keinen Widerspruch: «Bio- und Fairtrade-Baumwolle entwickelt sich in einer grösser werdenden Nische. Better Cotton könnte weitere grosse Teile des Marktes mit einem niederschwelligeren Nachhaltigkeitskonzept bedienen.» Ähnlich wie die sogenannte Integrierte Produktion, die auf Methoden setzt, die möglichst geringe Auswirkungen auf die Umwelt haben, könnte Better Cotton eine erste Stufe für Farmer auf dem Weg zu Biobaumwollproduktion sein, glaubt Egler. «Bioproduktion und Better Cotton konkurrenzieren sich nicht, sondern sind ergänzend», kontert der Seco-Vertreter den Einwand, dass sich die Better Cotton Initiative und die Vertreter der Bioproduktion an die gleichen Fördertöpfe, Farmer und Textilanbieter richten.

Dass man in der Biobranche die Better Cotton Initiative nicht als Konkurrenz sieht, bestätigt Tobias Meier, Leiter Fairer Handel bei Helvetas in Zürich. Die BCI sei Jahre nach der Lancierung der Idee ja erst knapp aus dem Projektstadium heraus, schreibt er. Grundsätzlich begrüsse Helvetas die neue Initiative als einen Versuch, die Methoden der «ökologisch weniger anspruchsvollen» Integrierten Produktion zu verbreiten.

Wer von Better Cotton profitiert

Doch was bringt BCI den Kundinnen und Kunden? «Better Cotton» als Label am T-Shirt wird es nicht geben. BCI setze nicht auf die Konsumenten, sondern auf die Industrie, erklärt Walter Wagner vom WWF. Für die grossen, marktbestimmenden Baumwollkäufer, die man im Rahmen der Better Cotton Initiative zu sammeln versuche, sieht er den Anreiz zur Mitgliedschaft «in der Vermeidung von Reputationsrisiken und in der Sicherstellung der Deckung zukünftigen Bedarfs an Baumwolle» – in Zeiten von Wasserknappheit und Klimawandel eine akute Frage.

Auch für Farmer gehe die Rechnung auf, heisst es bei Ikea. Der Möbelkonzern ist ein BCI-Mitglied der ersten Stunde und mit einem Jahresbedarf von rund einem Prozent der weltweit produzierten Baumwolle einer der mächtigsten Käufer. Ab 2015 will Ikea nur noch Better Cotton benutzen. Seit einigen Jahren testen Ikea und der WWF in Indien und Pakistan mit über 60’000 Farmern das Better-Cotton-Konzept. Das Resultat verblüffe ihn selber, schreibt der zuständige Ikea-Mann Guido Verijke: Der Wasser- und Pestizidverbrauch der Farmen sei um 50 Prozent und der Düngemittelverbrauch um über 30 Prozent gesunken. Umgekehrt sei das Durchschnittseinkommen der Bauern um über 40 Prozent gestiegen. «Derzeit ist die Better Cotton Initiative allein noch nicht in der Lage, dem hohen Produktionstempo, das die Partner aus der Industrie vorlegen, zu folgen», sagt Verijke, aber er sei optimistisch.

2012 läuft die Pilotphase des Projektes ab. Dann wird sich entscheiden, ob die bisherigen Partner an Bord bleiben, die laut BCI Direktorin Lise Melvin 4,5 Prozent der Weltnachfrage an Baumwolle abdecken. Bis dahin werden auch die Kritiker wachsam bleiben und überprüfen, ob BCI ihren eigenen Anspruch erfüllt, bei der Etablierung der Baumwolle als umweltfreundliches Produkt mitzuhelfen, wie BCI-Berater Andrew Macdonald sagt. Steffi Ober vom Nabu, obwohl selber fundamental anderer Ansicht als die Better Cotton Initiative, sagt, was die meisten Umweltverbände und Firmen meinen: «Besser ein kleiner Schritt als gar kein Schritt.»


Weitere Infos:

• Die Better Cotton Initiative: www.bettercotton.org
• Das Expertenforum zu Biocotton: www.organiccotton.org
• Der Weltbaumwollverband ICAC: http://www.icac.org/

http://www.beobachter.ch/natur/natuerlich-leben/artikel/baumwolle_die-masse-macht-den-unterschied/

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