Der Coup der Minenindustrie
Wie ein Schweizer Rohstoffunternehmen in Australien sich mit seinen Konkurrenten zusammentat um den Regierungschef abzusetzen.
Für die WOZ von Hannes Grassegger, Sydney
Obwohl Australien wirtschaftlich blüht: Die regierende Laborpartei darbt. Premier Julia Gillard überlebte soeben eine Palastrevolte, die ihr parteiinterner Rivale Kevin Rudd angezettelt hatte. Die Regierungschefin und Parteivorsitzende musste sich am Montag in einer Abstimmung gegen den eben zurückgetretenen Aussenminister durchsetzen, der zurück in die Chefetage wollte. Mitte 2010 hatte der damalige Premierminister Rudd seinen Posten für Gillard räumen müssen.
Australien erlebt die Nachwehen eines Coups. Die Regierung der eigentlich stabilen Demokratie war Mitte 2010 von drei grossen Rohstoffkonzerne regelrecht ausgehebelt worden. Darunter ein Schweizer Konzern: Prominent an Rudds Sturz beteiligt war das Zuger Bergbauunternehmen Xstrata, das kürzlich ein Fusionsvorhaben mit dem Rohstoffunternehmen Glencore bekanntgab – und damit Teil eines der weltweit vier umsatzstärksten Rohstoffkonzerne werden soll. Rudd hatte es gewagt, sich mit den Rohstoffplayern anzulegen. Seitdem ist Labor auf Talfahrt. Wären heute Wahlen, würde die konservative Opposition unter Tony Abbott deutlich gewinnen.
Australiens Rohstoffboom
Australien erlebt seit 2003 eine beispiellose Rohstoffhausse. Dabei geht es um viel Geld: Nach Angaben des Branchenverbandes der Minenindustrie (AMMA) wurden in letzter Zeit Projekte von umgerechnet einer halben Billion Franken angestossen. Doch der Minenboom produziere auch VerliererInnen, sagen kritische Stimmen.
Mit wachsendem Bergbau, schrumpfe der beschäftigungsintensivere Fertigungsbereich und der Tourismus. Damit entstehe eine «Wirtschaft der zwei Geschwindigkeiten», beklagt etwa der Ökonom und Journalist Paul Cleary. Aufgrund des sich durch den Bergbauboom verteuernden australischen Dollar verlören andere Wirtschaftsbranchen an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die hohen Löhne in der Minenindustrie führten zudem zu insgesamt höheren Lebenshaltungskosten für alle. Rudd wollte das ändern.
Der damalige Premierminister überraschte am 1. Mai 2010 mit einer Vorlage, die eine neue Steuer auf «Superprofite» der Rohstoffbranche forderte. Konkret plante Rudd eine vierzigprozentige Steuer auf den Gewinnen, die über einem bestimmten variablen Grenzwert liegen. Damit sollten in zehn Jahren bis zu hundert Milliarden australische Dollar Steuergelder eingenommen werden, die vorwiegend den VerliererInnen des Booms zugute kommen sollten.
Sieben Wochen Krieg
Doch dann traten die drei grössten in Australien operierenden Minenunternehmen auf das politische Parkett. Auch wenn die Minenindustrie in Australien stetig Meinungsmache betreibt: Der gemeinsame Coup war ein Novum. Die in London kotierte Rio Tinto, die in Melbourne ansässige BHP Billiton (ebenfalls in London kotiert) sowie die Schweizer Xstrata richteten im BHP Hauptquartier einen «War Room» ein.
Die Konzerne befürchten, dass das australische Steuermodell international Schule machen würde. Also lancierten sie gegen Rudds angeblichen «Ressourcennationalismus» einen Lobbyfeldzug. Ehemalige hochrangige Kabinettsmitglieder der konservativen Vorgängerregierung wurden zusammen mit Kampagnenplanern aus Rudds eigenem Wahlkampfteam angeheuert. Im War Room arbeiteten durchgehend Fokusgruppen voll Polit-Insidern, die bald herausfanden, welche Labor Mitglieder insgeheim Zweifel an Rudds Plan hegten. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit flossen in politische Lobbyarbeit hinter den Kulissen bei der man Parteigänger Rudds zum Coup organisierte. Die Bevölkerung wurde mit TV-Spots und Printkampagnen bearbeitet. Natürlich ging man auch ins Web. «Mine tour down Business» hiess der Slogan eines Anti-Rudd Spots auf Youtube. Motto: Premier Rudd stiehlt einfachen Leuten ihre ehrlichen Jobs. Der Feldzug kostete 22 Millionen Dollar.
Sieben Wochen vergingen, dann trat Rudd zurück. Kurz nachdem sich Julia Gillard zur neuen Premierministerin aufgeschwungen hatte, traf sie sich mit der Minenindustrie. Gut eine Woche nach Amtsantritt strich sie Rudds Steuer und ersetzte diese durch ein Modell, das die Besteuerung der grossen Minenunternehmen gar senken soll. Das neue Steuerregime tritt Mitte dieses Jahres in Kraft.
Unternehmen verfassen Gesetzesentwürfe
Paul Cleary fand heraus: Die Entwürfe für die neuen Steuerregeln wurden direkt von BHP an die Regierung zur Unterzeichnung gemailt. Der bekannte Journalist, der für den konservativen «The Australian» schreibt, sieht die australische Demokratie in Gefahr. Und macht sich in seinem Buch «Too Much Luck» Gedanken über die politischen Folgen der Episode:. «Was schliessen Regierungen kleinerer Länder aus solch einer Machtdemonstration der Minenindustrie?»
Ein Vorfall gab Cleary besonders zu denken. Kurz nach Rudds Rücktritt, bei einem Dinner mit über 500 VertreterInnen der Minenindustrie in London, triumphierte der Geschäftsführer von Rio Tinto Tom Albanese, in einer Rede über die Ereignisse in Australien: «Politiker auf der ganzen Welt sollten sich das eine Lehre sein lassen, wenn sie versuchen, Lokalpolitik zu betreiben.»
Der Europäischen Kommission, die der Fusion zwischen Glenncore und Xstrata noch zustimmen muss, sollte der Vorfall tatsächlich eine Lehre sein. Die AustralierInnen haben ihre Lektion bereits erhalten.
Dieser Text entstand im Rahmen einer Australien-Recherche finanziert durch das unabhängige Magazin REPORTAGEN.
Für die WOZ von Hannes Grassegger, Sydney
Obwohl Australien wirtschaftlich blüht: Die regierende Laborpartei darbt. Premier Julia Gillard überlebte soeben eine Palastrevolte, die ihr parteiinterner Rivale Kevin Rudd angezettelt hatte. Die Regierungschefin und Parteivorsitzende musste sich am Montag in einer Abstimmung gegen den eben zurückgetretenen Aussenminister durchsetzen, der zurück in die Chefetage wollte. Mitte 2010 hatte der damalige Premierminister Rudd seinen Posten für Gillard räumen müssen.
Australien erlebt die Nachwehen eines Coups. Die Regierung der eigentlich stabilen Demokratie war Mitte 2010 von drei grossen Rohstoffkonzerne regelrecht ausgehebelt worden. Darunter ein Schweizer Konzern: Prominent an Rudds Sturz beteiligt war das Zuger Bergbauunternehmen Xstrata, das kürzlich ein Fusionsvorhaben mit dem Rohstoffunternehmen Glencore bekanntgab – und damit Teil eines der weltweit vier umsatzstärksten Rohstoffkonzerne werden soll. Rudd hatte es gewagt, sich mit den Rohstoffplayern anzulegen. Seitdem ist Labor auf Talfahrt. Wären heute Wahlen, würde die konservative Opposition unter Tony Abbott deutlich gewinnen.
Australiens Rohstoffboom
Australien erlebt seit 2003 eine beispiellose Rohstoffhausse. Dabei geht es um viel Geld: Nach Angaben des Branchenverbandes der Minenindustrie (AMMA) wurden in letzter Zeit Projekte von umgerechnet einer halben Billion Franken angestossen. Doch der Minenboom produziere auch VerliererInnen, sagen kritische Stimmen.
Mit wachsendem Bergbau, schrumpfe der beschäftigungsintensivere Fertigungsbereich und der Tourismus. Damit entstehe eine «Wirtschaft der zwei Geschwindigkeiten», beklagt etwa der Ökonom und Journalist Paul Cleary. Aufgrund des sich durch den Bergbauboom verteuernden australischen Dollar verlören andere Wirtschaftsbranchen an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die hohen Löhne in der Minenindustrie führten zudem zu insgesamt höheren Lebenshaltungskosten für alle. Rudd wollte das ändern.
Der damalige Premierminister überraschte am 1. Mai 2010 mit einer Vorlage, die eine neue Steuer auf «Superprofite» der Rohstoffbranche forderte. Konkret plante Rudd eine vierzigprozentige Steuer auf den Gewinnen, die über einem bestimmten variablen Grenzwert liegen. Damit sollten in zehn Jahren bis zu hundert Milliarden australische Dollar Steuergelder eingenommen werden, die vorwiegend den VerliererInnen des Booms zugute kommen sollten.
Sieben Wochen Krieg
Doch dann traten die drei grössten in Australien operierenden Minenunternehmen auf das politische Parkett. Auch wenn die Minenindustrie in Australien stetig Meinungsmache betreibt: Der gemeinsame Coup war ein Novum. Die in London kotierte Rio Tinto, die in Melbourne ansässige BHP Billiton (ebenfalls in London kotiert) sowie die Schweizer Xstrata richteten im BHP Hauptquartier einen «War Room» ein.
Die Konzerne befürchten, dass das australische Steuermodell international Schule machen würde. Also lancierten sie gegen Rudds angeblichen «Ressourcennationalismus» einen Lobbyfeldzug. Ehemalige hochrangige Kabinettsmitglieder der konservativen Vorgängerregierung wurden zusammen mit Kampagnenplanern aus Rudds eigenem Wahlkampfteam angeheuert. Im War Room arbeiteten durchgehend Fokusgruppen voll Polit-Insidern, die bald herausfanden, welche Labor Mitglieder insgeheim Zweifel an Rudds Plan hegten. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit flossen in politische Lobbyarbeit hinter den Kulissen bei der man Parteigänger Rudds zum Coup organisierte. Die Bevölkerung wurde mit TV-Spots und Printkampagnen bearbeitet. Natürlich ging man auch ins Web. «Mine tour down Business» hiess der Slogan eines Anti-Rudd Spots auf Youtube. Motto: Premier Rudd stiehlt einfachen Leuten ihre ehrlichen Jobs. Der Feldzug kostete 22 Millionen Dollar.
Sieben Wochen vergingen, dann trat Rudd zurück. Kurz nachdem sich Julia Gillard zur neuen Premierministerin aufgeschwungen hatte, traf sie sich mit der Minenindustrie. Gut eine Woche nach Amtsantritt strich sie Rudds Steuer und ersetzte diese durch ein Modell, das die Besteuerung der grossen Minenunternehmen gar senken soll. Das neue Steuerregime tritt Mitte dieses Jahres in Kraft.
Unternehmen verfassen Gesetzesentwürfe
Paul Cleary fand heraus: Die Entwürfe für die neuen Steuerregeln wurden direkt von BHP an die Regierung zur Unterzeichnung gemailt. Der bekannte Journalist, der für den konservativen «The Australian» schreibt, sieht die australische Demokratie in Gefahr. Und macht sich in seinem Buch «Too Much Luck» Gedanken über die politischen Folgen der Episode:. «Was schliessen Regierungen kleinerer Länder aus solch einer Machtdemonstration der Minenindustrie?»
Ein Vorfall gab Cleary besonders zu denken. Kurz nach Rudds Rücktritt, bei einem Dinner mit über 500 VertreterInnen der Minenindustrie in London, triumphierte der Geschäftsführer von Rio Tinto Tom Albanese, in einer Rede über die Ereignisse in Australien: «Politiker auf der ganzen Welt sollten sich das eine Lehre sein lassen, wenn sie versuchen, Lokalpolitik zu betreiben.»
Der Europäischen Kommission, die der Fusion zwischen Glenncore und Xstrata noch zustimmen muss, sollte der Vorfall tatsächlich eine Lehre sein. Die AustralierInnen haben ihre Lektion bereits erhalten.
Dieser Text entstand im Rahmen einer Australien-Recherche finanziert durch das unabhängige Magazin REPORTAGEN.
hannes1 - 1. Mär, 12:12