Weich und Rhythmisch

Seine erste Veröffentlichung nannte er «Amours», seine neueste CD «Sexuality». Jetzt kommt Sébastien Tellier nach Zürich.
Von Hannes Grassegger
Sébastien Tellier aus Paris ist genau der Typ Mensch, den junge Männer nicht treffen wollen, wenn sie ihre Freundin in der Stadt der Liebe ausführen. Er hingegen will, dass ihn auch die auswärtigen Mädchen richtig verstehen, und nannte daher sein neues Konzeptalbum «Sexuality».
Eigentlich ist man in Frankreich bei Anglizismen schnell brüskiert und kreiert extra Wörter wie «ordinateur» für Computer. Aber wenn Sébastien den «ordinateur» sanft streichelt, kommt eben Sexuality heraus. Weich und rhythmisch klingt der von Daft Punks Guy-Man mitproduzierte Elektropop. Sanft pulsieren tausend Synthies, als hätten Kraftwerk und Giorgio Moroder eine Sommernacht in Paris verbracht. Sehr charmant raunt darüber ein verliebtes Falsett lüsterne Fantasien - und seit Serge Gainsbourg hat es auch keiner mehr so stöhnen lassen wie Tellier und Guy. Kein Wunder, dass Sébastien Tellier heuer Frankreich beim Eurovision Song Contest vertreten wird.
Doch Sexuality ist ein gefährlich Spiel. Unter all der Oberflächlichkeit lauern zehn Jahre Pariser Szene-Inzest zwischen Telliers Label-Bossen von der Band Air und seinen Koproduzenten Daft Punk sowie eine ganze Menge Zynismus. Das Album beginnt «Mains en mains à la plage» und endet mit «L’amour et la violence». Wenn dann der egomane Stilfanatiker Tellier im intimen Mascotte «Dit moi ce que tu pense de ma vie» winselt, sollten die jungen Männer ihre Freundinnen gut festhalten. Denn schleimig wie Nacktschnecken werden ihnen die Synthie-Flächen ins Genick und den Rücken hinabkriechen.
hannes1 - 13. Mär, 12:57