Ägyptens Rockefeller - Samih Sawiris

Wer als Unternehmer wirklich langfristig plant, übersteht Revolutionen und Finanzkrisen mit einem Lächeln. Glaubt Samih Sawiris, der ägyptische Hotelmagnat, der gerade die Schweiz für sich einnimmt.

Wohlwollend nickt der kleine Mann mit dem dunklen Schafspelzmantel den Dorfbewohnern auf der Hotelterrasse zu. Samih Sawiris ist ein wichtiger Unternehmer, das wissen alle hier in Andermatt, dem kleinen Dorf in der Gotthardregion. Er ist aus dem Land der Pyramidenbauer gekommen, um ein riesiges Projekt zu verwirklichen. Auf seinem Weg hat er Helvetia erobert. Lächelnd, denn sein Charme ist so bezwingend, dass der mächtigste und sturste aller Schweizer Politiker, Rechtspopulist Christoph Blocher, dem Nordafrikaner eigenhändig die Steine aus dem Weg räumte.

Doch es ist nicht nur die Freundlichkeit. Als bemerkenswert bodenständig charakterisiert die Financial Times die Sawiris, Ägyptens reichste Familie, deren Vermögen auf über 12 Milliarden Dollar geschätzt wird. Am Vorabend ließ sich Sawiris auf einer Dorfsause blicken und feierte bis in die Früh. Jetzt ist es Samstagnachmittag, halb vier. Der König des ägyptischen Tourismus steht auf der Terrasse vom Hotel „Drei Könige“ im verschneiten Bergdorf Andermatt, lässt sich die Sonne ins bronzefarbene Gesicht scheinen und zündet sich zum Feierabend eine Marlboro Light an. Unter dem Mantel aus Schafsfell trägt der fünffache Vater das Hemd wie immer weit aufgeknöpft. Nun bibbert der 165 Zentimeter Mogul ein wenig vor Kälte, obwohl er ja diesen Mantel trägt, den ersten seines Lebens, den seine Mutter ihm geschenkt hat. Das „Drei Könige“ ist Samih Sawiris Stammhotel, weil es so korrekt, so schlicht ist.

Der 1957 geborene Samih ist der mittlere Sohn des Bauunternehmers Onsi Sawiris, Begründer des Orascom Imperiums, das er 1997 zwischen den drei Söhnen aufteilte: Naguib, Samih und Nassef. Letzterer gilt als der reichste Sohn Ägyptens und belegt Platz 182 der Forbes Rich List. Samih Sawiris liegt auf Platz 879, mit 1,4 Milliarden Dollar. Die drei Brüder besuchten die deutsche Schule in Kairo. Samih diplomierte 1980 an der Technischen Universität Berlin zum Wirtschaftsingenieur. Er will für seine Leistung bekannt sein, sieht sich als Geschäftsmann. Seit Schülertagen habe er gearbeitet, sagt der Unternehmer, habe Nachhilfe gegeben oder mit Kühlschränken gehandelt, die er seinen deutschen Lehrern abkaufte. Die Sawiris sind – wie jeder zehnte Ägypter – koptische Christen. Eine geschäftstüchtige Minderheit „mit fast puritanischer“ Arbeitsethik, wie eine Schweizer Boulevardzeitung lobt.

Seine Studienzeit in Berlin war wunderbar, schwärmt er in fast perfektem Deutsch, Freiheit, alleine wohnen. „Ich war wie alle, ein ganz normaler Student“, die Familie sei damals noch nicht so reich gewesen. Vater Onsi erholte sich Ende der 1970er Jahre noch von einer Enteignung. Umso größer der Ehrgeiz des mittleren Sohnes. Noch während des Studiums gründet er sein erstes Unternehmen. Der damals 22-Jährige erkannte, dass die Produktion von Fiberglasbooten im Nil-Land eine Marktlücke war. „Ich bin selbstständiger Geschäftsmann geworden, um frei zu sein. Keinen Befehlen folgen und niemandem berichten. Das lohnt sich auch finanziell.“ So entdeckte der angehende Wirtschaftsingenieur sein erstes Monopol. „Ich hasse Konkurrenz,“ sagt Sawiris, „denn Konkurrenz zwingt dich, Kompromisse zu schließen, die du nie wolltest. Konkurrenz verhindert, dass du großzügig bist zu Kunden und zu Mitarbeitern.“

1989 gründet Sawiris seine erste eigene Stadt, El Gouna. Der Ort ist Beleg für die Innovationskraft und Nachhaltigkeit, die Samih Sawiris als Geschäftsmann auszeichnet. Mit nichts als einem Plan und etwas Wüste an der Küste des Roten Meeres sammelte Sawiris Kaufverträge und Anzahlungen. Gebäude entstanden sobald Geld kam. Niemand habe sich vorher für das Wüstenstück interessiert, heute hat sich der Ort aus der Retorte zu einer Art arabischen St. Tropez entwickelt. „Das Geheimnis ist, etwas zu tun, bei dem man der Einzige ist. Konkurrenzlos.“ 18.000 Menschen leben nun in El Gouna. Orascom Development verwaltet hier über 1.700 private Immobilien, vermietet 17 Hotelgebäude an Sheraton, Mövenpick, Steigenberger. Doch als Betreiber der Privatstadt achtet man hier nicht nur auf die Architektur. Das Augenmerk richtet sich ebenso auf die soziokulturellen Aspekte wie die Mischung aus Feriengästen und Einwohnern. Orascom Development regelt alles, Kanalisation, Krankenhaus, Sicherheitsdienst. „Ich bin nicht der Bürgermeister“, lächelt Sawiris, „ich habe einen Bürgermeister.“ Während der Revolution blieb er hier. El Gouna ist die erste von derzeit drei und geplanten neun „integrierten Ressorts“, dem Kerngeschäft der in der Schweiz gelisteten Orascom Development Holding AG. Über 60 Prozent davon gehören Gründer und Verwaltungsratspräsident Samih Sawiris. Das von Orascom angewandte Finanzierungsmodell ist dabei stets das gleiche; Schwerpunkt ist der Nahe Osten. Noch 2010 stammten etwa Dreiviertel der mehr als 500 Millionen Dollar Jahresumsatz aus Ägypten.

Morgens um halb elf in Andermatt, Arbeitsbeginn. In der Repräsentanz von „Andermatt Swiss Alps“ zeigt der 55-jährige, dass er fast alle Bauzonen des Tales erworben hat. Sein Monopol, „ein geschlossenes Objekt.“ Orascom will die Preisentwicklung steuern, Käufern Sicherheit und Nachhaltigkeit bieten. Im Dorfkern entsteht das edle Apartmenthotel Chedi, Eröffnung 2013; es folgen ein 18-Loch Golfplatz, 25 Villen, 400 Wohnungen mit Niedrigenergiestandards – Quadratmeterpreis etwa 17.000 Franken - und ein neuer Dorfplatz. Die zuvor unter Abwanderung leidenden Andermatter wünschten sich ein Sportzentrum. Auch das Skigebiet wird nach Jahren der Diskussion vergrößert: Von den 1,8 Milliarden budgetierten Franken werden bis Ende des Jahres 320 Millionen investiert sein. Noch nie gab es ein solches Ressort in der Schweiz, die seit Jahren über schwächelnden Tourismus klagt. Sawiris baut an das verschlafene Bergdorf ein Neu-Andermatt „auf der Höhe der Zeit“. Er setzt der Schweiz eine Vision vor die Nase. Sein Projekt entsteht auf dem ehemaligen Militärgelände der Schweizer Armee. Hier lag das „Reduit“, der verbunkerte Rückzugsort der Schweizer Regierung für den Ernstfall. Es gab Abstimmungen, Parlamentsdebatten, doch am Ende gewann Sawiris. Sawiris erreichte für sein Ressort gar die Aufhebung der „Lex Koller“, jenes Gesetzes, das Ausländern den Immobilienkauf fast unmöglich macht. Das Land staunt. Und Samih Sawiris lernt dazu. „In Afrika bringt jeder neue Tag eine Überraschung. Hier in der Schweiz planen die Leute für die Ewigkeit. Das ist das andere Ende der Welt.“ erklärt er auf dem Weg Richtung Hotelrohbau, „Andermatt ist mein wichtigstes Projekt geworden. Ich will beweisen, dass ein Afrikaner das schaffen kann.“ Techniker und Designer umschwirren ihn, doch er gleitet durch die Aufregung, die Luft um ihn scheint sich zu verdichteten mit Jahrzehnten der Erfahrung. Der Unternehmer inspiziert jedes Element eines Hotelzimmer-Interieurs. Die Designer haben Augenringe, sind bleich, nicken. Erst ist Sawiris ruhig, dann feuert er los: „Die Lampen höher. Ein neues Farbkonzept. Bunter. Hier ein Fenster...“ Aus Perfektion im Detail soll das perfekte Ganze entstehen.

Bei aller Ambition - ein Imperium und auch Andermatt Swiss Alps braucht Liquidität. Doch die Revolution in Ägypten ließ die Tourismuseinnahmen in Ägypten einbrechen, der arabische Raum wurde zum Klumpenrisiko. Im Herbst wollte die Militärregierung Sawiris hinter Gitter stecken. Er musste sich herauskaufen. Andermatt muss gelingen, soviel steht fest. Aber die Kunden zögern wegen des teuren Frankens. Sawiri ist sich dessen bewusst. Ja, Ägyptens aktuelle Lage sei „katastrophal“. Doch es könne nur besser werden: „Jetzt wo das Volk gezeigt hat, dass es eine schlechte Regierung absetzen kann, muss sich jede Regierung Mühe geben. Ob Diktatur oder Demokratie.“ Auch die fundamentalistische Regierung hätte das Interesse, den Tourismus als Geldquelle zu erhalten. Ägypten habe keine Rohstoffe. Aus den Enteignungen habe er gelernt, sich nie in die Politik einzumischen, sich nie auf nur eine Person zu verlassen. Dann sei man abhängig, könne nicht planen. Und das Wichtigste: „Man darf sich nie überraschen lassen.“

Es ist kurz nach fünfzehn Uhr, bald Feierabend für Sawiris, der nie länger als sechs bis sieben Stunden arbeitet. Er will jetzt an die Sonne, eine Zigarette rauchen. Im Headoffice in Kairo hängt ein Plan, den ihm vor fünf Jahren die Urner Behörden gaben. Andermatt Swiss Alps steht darüber. Darunter alle Schritte bis zum Ziel inklusive Zeitangabe. Bisher laufe alles nach Plan. „Schau nicht nach unten. Auch wenn Du so mal in ein Loch fällst: Es ist wegweisender, nach vorne zu schauen.“

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