REPORTAGEN Magazin
Wir kommen auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Die Energiespar-Automatik schaltet den Motor ab. Es wird still. Trucks rauschen eine Handbreit entfernt vorbei, der brave weisse Prius vibriert jedes Mal aufgeregt. Im rechten Seitenspiegel verfolge ich, wie der Polizist aussteigt und langsam näher kommt. Hand an der Pistole. Ich lege beide Hände aufs Steuer. Hamilton blickt starr geradeaus, als der Polizist sich an sein Fenster beugt.
>>>> Meine Story über Amerikas besten Drogenreporter im Magazin REPORTAGEN #19, anlässlich der Kollaboration mit NZZ Folio zum Thema «Reporter»>>>>
Unverdächtig sieht Mr. Morris aus. 185 cm, Drahtbügelbrille, Jeans, weisses Button-down-Hemd hochgeknöpft, dunklerer Typ, Frisur wie Ringo Starr nach dem Aufstehen, etwa 1966. Wie ein übernächtigter Ivy-League-Student, dachte ich, als wir uns vor seiner Wohnung in Brooklyn erstmals begegneten, wie jemand, bei dem die Löcher in den Jeans nicht wirklich Löcher sind. Immerhin ist Morris der einzige Sohn des Oscar- gekrönten Dokumentarfilmers Errol Morris. Stephen Hawking schenkte dem kleinen Hamilton einst eine Nachttischlampe.
Heute ist Hamilton eine der grössten Hoffnungen des US-Journalismus. Ein 27-jähriger Slacker, der von einem winzigen Appartement in der Grand Street aus eine der grössten Schlachten der Nation beeinflusst. Wenn man mit Morris durch Williamsburg läuft, dort, wo sein Aufstieg begann, werden die coolsten Typen geschmeidig. Sie lächeln, fragen, wie es gehe. Er antwortet mit dieser Stimme, wie eine Dampfwalze, die über frischen Teer rollt, so unglaublich tief, dass sie nicht nur seinen Dokumentarfilmen, sondern auch seinem dürren Leib unantastbare Überlegenheit verleiht. Was Hamilton Morris ist, was er macht − vor allem wie – all das wäre ohne den Zusammenbruch des Journalismus, wie er bisher funktionierte, nicht möglich gewesen. Ohne den Kampf aller gegen alle, den stets jene gewinnen, die von Anfang an die Regeln brechen.
Weiterlesen im neuen REPORTAGEN Magazin #19
hannes1 - 7. Okt, 11:52