Wie tief darf der Euro zum Franken sinken?
Experten zweifeln an Sinn, Höhe und Durchsetzbarkeit einer Untergrenze des Wechselkurses zum Euro. Sie sehen die nebulöse Grenze trotzdem nahen.
Von Hannes Grassegger
Alle sahen sie kommen - doch sie kam nicht. Statt eine Untergrenze für den Wechselkurs zwischen Euro und Franken zu verkünden, gab die Nationalbank gestern bekannt, Geschäftsbanken die Geldbeschaffung via Girokonten zu erleichtern und Devisenswaps zu tätigen, um den Franken zu verbilligen. Dabei waren in den letzten Tagen aus verschiedenen Lagern Forderungen laut geworden, die SNB solle eine Untergrenze definieren, diese kommunizieren und dann auf deren Realisierung hinarbeiten.
So argumentieren auch die Wirtschaftsforscher der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich. Die Einführung einer Untergrenze sei sogar eine Gewinnstrategie, denn solange man sich sicher sei, dass der Franken überbewertet sei, könne die Nationalbank bei einer zukünftigen Normalisierung des Frankenkurses sogar Gewinne aus ihren Devisengeschäften realisieren. Der ehemalige SNB-Chefökonom und jetzige Professor an der Universität Genf, Ulrich Kohli, hält die Durchsetzung einer Untergrenze für nicht glaubwürdig. In der jetzigen Situation gebe es zwei Wege: ein ganz freier Kurs oder - auch wenn er es nicht befürworte - die feste Anbindung an eine andere Währung. Alles dazwischen sei realistisch nicht haltbar. Würde die SNB jetzt ein Wechselkursziel erkämpfen, würde sie diesem alle anderen Ziele der Geldpolitik unterordnen müssen. Zudem würde es die Spekulation mit dem Franken anfeuern und zu weiteren Verlusten der Nationalbank führen. «Hätte man das Ziel früher kommuniziert, wäre es vielleicht glaubwürdig gewesen, jetzt geht es nicht mehr.»
Ins gleiche Horn bläst der Zürcher Professor für Finanzen und Internationalen Handel, Mathias Hoffmann. Eine Untergrenze wäre «eine Carte blanche» für Spekulanten und könnte sich sogar kontraproduktiv auswirken. Das Kernproblem sei, dass sich zurzeit ein Paradigmenwechsel ereigne auf Ebene dessen, was man in der Weltwirtschaft als «sicher» betrachte. Sogar Staatsanleihen führender Ökonomien, früher Lehrbuchbeispiele sicherer Werte, würden heute vom Markt angezweifelt. Insofern sei es schwierig, überhaupt erst einen realistischen Wechselkurs des Frankens in dieser neuen, nach Sicherheit suchenden Welt zu definieren. Das derzeitige schrittweise Handeln der SNB findet Hoffmann richtig. Mit gutem Timing könne sie Spekulanten ein Schnippchen schlagen, auch wenn die Gesamteffekte gering seien. Aber es sei sehr schwer, sich gegen die globale Neubewertung des Sicherheitsbegriffes aufzulehnen, die sich im hohen Frankenkurs niederschlage.
«Ziel muss 1.10 Franken sein»
Ökonom Fabian Heller von der Credit Suisse sieht die Einführung einer Untergrenze für den Wechselkurs Euro/Franken als realistische Möglichkeit an. Die SNB versuche zwar, im derzeitigen Klima der Unsicherheit risikominimierend zu agieren. Dies funktioniere aber nur, wenn sich die grosse Skepsis im Markt - beispielsweise angesichts der Zukunft des Euro - verringere. Sollte die Risikoaversion bestehen bleiben, könnte die Einführung einer schrittweise ansteigenden Untergrenze ein nächster Schritt sein. An die Einführung einer Untergrenze glaubt auch Bankspezialistin Christine Hirszowicz, Professorin an der Universität Zürich: «Eine Basis von 1.10 Franken sollte nicht unterschritten werden.» Hirszowicz sieht ein solches Ziel als Provisorium. Auf lange Sicht müsste die Nationalbank bei den Schritten, die für das Einhalten der Untergrenze dann nötig wären, allerdings die Inflationsgefahr beachten. Währenddessen zweifelt der Markt an der Glaubwürdigkeit der SNB. «Es bringt nichts, erst Interventionen an den Devisenmärkten anzudeuten und dann doch nicht zu intervenieren», sagte ein Vertreter der Commerzbank gestern.
Von Hannes Grassegger
Alle sahen sie kommen - doch sie kam nicht. Statt eine Untergrenze für den Wechselkurs zwischen Euro und Franken zu verkünden, gab die Nationalbank gestern bekannt, Geschäftsbanken die Geldbeschaffung via Girokonten zu erleichtern und Devisenswaps zu tätigen, um den Franken zu verbilligen. Dabei waren in den letzten Tagen aus verschiedenen Lagern Forderungen laut geworden, die SNB solle eine Untergrenze definieren, diese kommunizieren und dann auf deren Realisierung hinarbeiten.
So argumentieren auch die Wirtschaftsforscher der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich. Die Einführung einer Untergrenze sei sogar eine Gewinnstrategie, denn solange man sich sicher sei, dass der Franken überbewertet sei, könne die Nationalbank bei einer zukünftigen Normalisierung des Frankenkurses sogar Gewinne aus ihren Devisengeschäften realisieren. Der ehemalige SNB-Chefökonom und jetzige Professor an der Universität Genf, Ulrich Kohli, hält die Durchsetzung einer Untergrenze für nicht glaubwürdig. In der jetzigen Situation gebe es zwei Wege: ein ganz freier Kurs oder - auch wenn er es nicht befürworte - die feste Anbindung an eine andere Währung. Alles dazwischen sei realistisch nicht haltbar. Würde die SNB jetzt ein Wechselkursziel erkämpfen, würde sie diesem alle anderen Ziele der Geldpolitik unterordnen müssen. Zudem würde es die Spekulation mit dem Franken anfeuern und zu weiteren Verlusten der Nationalbank führen. «Hätte man das Ziel früher kommuniziert, wäre es vielleicht glaubwürdig gewesen, jetzt geht es nicht mehr.»
Ins gleiche Horn bläst der Zürcher Professor für Finanzen und Internationalen Handel, Mathias Hoffmann. Eine Untergrenze wäre «eine Carte blanche» für Spekulanten und könnte sich sogar kontraproduktiv auswirken. Das Kernproblem sei, dass sich zurzeit ein Paradigmenwechsel ereigne auf Ebene dessen, was man in der Weltwirtschaft als «sicher» betrachte. Sogar Staatsanleihen führender Ökonomien, früher Lehrbuchbeispiele sicherer Werte, würden heute vom Markt angezweifelt. Insofern sei es schwierig, überhaupt erst einen realistischen Wechselkurs des Frankens in dieser neuen, nach Sicherheit suchenden Welt zu definieren. Das derzeitige schrittweise Handeln der SNB findet Hoffmann richtig. Mit gutem Timing könne sie Spekulanten ein Schnippchen schlagen, auch wenn die Gesamteffekte gering seien. Aber es sei sehr schwer, sich gegen die globale Neubewertung des Sicherheitsbegriffes aufzulehnen, die sich im hohen Frankenkurs niederschlage.
«Ziel muss 1.10 Franken sein»
Ökonom Fabian Heller von der Credit Suisse sieht die Einführung einer Untergrenze für den Wechselkurs Euro/Franken als realistische Möglichkeit an. Die SNB versuche zwar, im derzeitigen Klima der Unsicherheit risikominimierend zu agieren. Dies funktioniere aber nur, wenn sich die grosse Skepsis im Markt - beispielsweise angesichts der Zukunft des Euro - verringere. Sollte die Risikoaversion bestehen bleiben, könnte die Einführung einer schrittweise ansteigenden Untergrenze ein nächster Schritt sein. An die Einführung einer Untergrenze glaubt auch Bankspezialistin Christine Hirszowicz, Professorin an der Universität Zürich: «Eine Basis von 1.10 Franken sollte nicht unterschritten werden.» Hirszowicz sieht ein solches Ziel als Provisorium. Auf lange Sicht müsste die Nationalbank bei den Schritten, die für das Einhalten der Untergrenze dann nötig wären, allerdings die Inflationsgefahr beachten. Währenddessen zweifelt der Markt an der Glaubwürdigkeit der SNB. «Es bringt nichts, erst Interventionen an den Devisenmärkten anzudeuten und dann doch nicht zu intervenieren», sagte ein Vertreter der Commerzbank gestern.
hannes1 - 12. Aug, 12:39