taz - Die Tageszeitung

Donnerstag, 2. September 2010

„Warum hält der Iran US-Kriegsgegner gefangen?“

krasses-monster
Shon Meckfessel, 2010


für die taz von Hannes Grassegger

Hintergrund: Vor über einem Jahr, am 31.Juli 2009 wurden die drei US-Amerikaner Josh Fattal, 27, Sprachlehrer, Sarah Shourd, 31, Sprachlehrerin und Politaktivistin und der mit Shourd liierte Journalist Shane Bauer, 27, von iranischen Truppen nahe der irakischen Grenze gefangengenommen.
Seitdem werden sie im berüchtigten Evin Gefängnis festgehalten. Zwei Monate lang wurden sie verhört, unklar bleibt, ob ein Prozess ansteht, und wenn ja ob wegen Spionage oder illegalen Grenzübertritt.
US-Präsident Obama und Aussenministerin Clinton bezeichnen die drei jungen Amerikaner als „ohne Beziehung zu irgendeiner Form von Aktion gegen Irans Staat oder Regierung.“ Im Februar schlug Irans Präsident Ahmadinedschad vor, Bauer, Shourd und Fattal gegen im Irak gefangene Iraner auszutauschen. Die drei scheinen zum Spielball geworden zu sein. Auf einer zweimonatigen Europatour will jener „vierte Wanderer“ der durch einen Zufall entkam, über die Gefangenen aufklären. Shon Meckfessel, 37, Doktorand an der University of Washington in Seattle, bekämpft das „falsche Image“ der „drei Backpacker“. In Haft seien erfahrene amerikakritische Aktivisten und Journalisten. Ihn quält die Frage, warum der Iran US Kriegsgegner gefangen halte.



Interview

Mit Shon Meckfessel (SNM) sprach Hannes Grassegger (HSG)

HSG: Herr Meckfessel, sie fürchten das schlimmste für ihre drei Freunde Sarah Shourd, Shane Bauer und Josh Fattal. Die drei werden seit etwas über einem Jahr im Iran gefangen gehalten.

SNM: Sie sind die am längsten gefangen gehaltenen Amerikaner seit der Revolution 1979. Sie sind im Hochsicherheitsgefängnis in Evin. Niemand weiss warum. Im schlimmsten Fall droht die Todesstrafe. Ich mache mir fürchterliche Sorgen.

HSG: Die Anschuldigungen gegen die drei schwanken zwischen illegalem Grenzübertritt und Spionage, was ein Todesurteil bedeuten kann. Im Anschluss an den Jahrestag der Gefangennahme verkündete nun ein Sprecher des iranischen Aussenministeriums, dass die „offensichtliche“ Rechtsverletzung ihrer Freunde nur in „illegalem Grenzübertritt“ bestehe. Ein Prozess scheint bevorzustehen. Was denken Sie zu solchen Neuigkeiten?

SNM: Das sind keine Neuigkeiten. Die drei wurden nie wegen Spionage angeklagt! Solche Berichte waren Irreführung; Gerüchte. Die iranische Regierung Zeit will auf Zeit spielen. Soweit ich verstehe, wurden die drei seit jeher der illegalen Einreise beschuldigt. Dafür müsste man im Iran eine Strafe von etwa 50 US$ zahlen. Lasst mich die 150 US$ zahlen und meine Freunde gehen!

HSG: Wann haben Sie zuletzt von ihren Freunden gehört?

SNM: Ende Juli 2009 reisten wir vier für einen Kurzurlaub von Damaskus über die Türkei in den kurdischen Teil des nördlichen Iraks. Eine Gegend die als sicher gilt und als Reiseziel beworben wird. Eine ganze Menge Amerikaner sind dort problemlos rumgereist. Uns wurde immer wieder erzählt es sei sehr schön dort.

Wir erreichten eine mittelgrosse Stadt namens Suleimaniya. Alle die wir dort nach nahen Ausflugsgebieten fragten, empfahlen uns die malerischen Wasserfälle um das kleine Dorf Ahmed Awa.

Am Abend des 30. Juli 2009 brachen Josh, Sarah und ihr Freund Shane dorthin auf. Die drei planten zu campen. Ich fühlte mich fiebrig und wollte am Folgetag nachkommen.

Am nächsten Morgen gegen 11.30h ging es mir besser. Ich rief Shane an. Er klang happy und berichtete, die drei seien von Ahmad Awa aus einem kleinen Pfad zu den Wasserfällen gefolgt und hätten in der Nähe gecampt. Nun folgtem sie noch ein wenig dem Pfad, würden aber bald umkehren.

Wir wollten uns bei den Wasserfällen treffen. Ich bin mir sicher, dass die drei keine Ahnung hatten, wie nah zur Grenze sie waren. Auf dem Weg versuchte ich Shane zweimal zu erreichen. Um 13.33h rief er zurück. Er klang sehr ernst, sagte sie wären von iranischen Sicherheitskräften gefangengenommen worden. Ich solle die Botschaft informieren.

Seitdem habe ich nur durch Medienberichte und die Eltern von meinen Freunden gehört.

HSG: Wie wurden die drei gefangen genommen?

SNM: Es gibt widersprüchliche Berichte. Grenztruppen nahmen sie fest. Ob die drei selber die unmarkierte Grenzlinie überschritten oder auf irakischem Boden gefangen genommen wurden ist unklar.

HSG: Sie sind nun selber aktiv, befinden sich bis zum 14. September auf einer Infotour durch Europa. Und zeigen die Arbeiten ihrer Freund auf freeourfriends.eu. Warum?

Mittlerweile habe ich das Gefühl, das die Regierung wenig erreicht, auch wenn ich die Bemühungen der Schweizer Botschaft, die die USA im Iran vertreten, sehr schätze.

Ich glaube, dass es der iranischen Regierung leichter fallen würde, meine Freunde zu entlassen, wenn bekannt würde, was für Leute da gefangen gehalten werden. Eine Entlassung wäre kein Nachteil für den Iran. Mitgefühl ist ein Zeichen der Stärke.

Die US-Medien haben meine Freunde uniform die ganze Zeit als „drei Wanderer“ bezeichnet, die sich versehentlich verlaufen hätten. Ich bin überzeugt, dass die amerikanische Öffentlichkeit denkt, meine Freunde wären einfach Idioten, Backpacker, selber schuld.

HSG: Sie aber sagen, Ihre Freunde seien hochinformierte Kenner des Nahen Ostens. Journalisten und Politaktivisten...

SNM: Das ist mir das wichtigste. Ich bin auf eigene Faust unterwegs um die Leute vom Gegenteil zu überzeugen. Die drei sind keine einfachen Hiker! Zwei von uns sprechen Arabisch, wir alle sind weitgereist, tief involviert im Nahen Osten und haben eine lange Vorgeschichte im Kampf für Gerechtigkeit in der Region. Es ist paradox: Warum hält der Iran US-Kriegsgegner gefangen?

Shane und Sarah sind enge Freunde des US-Aktivisten Tristan Anderson, welcher im Iran als Held gefeiert wird, weil er sich für Palästinenser einsetzte und von israelischen Soldaten mit einem Kopfschuss beinahe getötet worden wäre. Sarah brachte bis zur Gefangennahme irakischen Kriegsflüchtlingen in Damaskus Englisch bei, damit diese an amerikanische Universitäten kommen könnten.

Auch Shane Bauer kenne ich seit Jahren. Er ist ein hochbegabter investigativer Journalist der beispielsweise nach Darfur ging um eine menschlichere Berichterstattung über die Region zu ermöglichen. Shane arbeitete u.a. für den Christian Science Monitor und Al Jazeera. Sein Enthüllungsreport zur geheimen Ausbildung von parallegalen irakischen Todestruppen durch die USA wurde weltweit veröffentlicht (auf Deutsch „Die Killerbrigaden von Bagdad“, in Le Monde Diplomatique; die Red.). Er deckte auch Korruption unter amerikanischen Alliierten auf. Arbeit die zeigt, wie wacklig der Frieden sein wird wenn die US-Gelder dort versiegen.

HSG: Sie äusserten sich skeptisch über die US-Medien..

SNM: Soweit ich weiss, berichtet Al Jazeera Arabia gar nicht über den Fall. Ich schickte Mails, ob sie sich nicht für ihren ehemaligen Journalisten einsetzen könnten. Irgendwann erhielt ich eine Antwort: Shane Bauer sei nur ein Freelancer gewesen.

HSG: Mehrmonatige Ermittlungen des US-Magazines The Nation lassen vermuten, dass die Gruppe in einem Gebiet wandern ging, das Aktionsfeld illegaler Aktivitäten zwischen Iran und Irak war. War Shane Bauer am recherchieren?

SNM: Shane war absolut gar nichts am ermitteln dort! Er schrieb stets nur über Leute, deren Sprache er konnte. Niemand aber von uns spricht ein Wort Farsi oder Kurdisch. Niemand von uns hat je über den Iran berichtet. Shane würde auch niemals seine Freundin Sarah oder seine alten Freunde Josh und mich in eine Recherche reinziehen.

Der Nation Artikel lässt vermuten, dass meine Freunde von korrupten iranischen Truppen gefangen genommen wurden, welche Geld damit verdienten, irakische Kurden zu kidnappen, in Militärkleidung zu stecken, umzubringen und die Leichen als Beweise erfolgreicher antiterroristischer Arbeit gegen einen Prämie von 40.000 US$ an die Zentralregierung in Teheran zu liefern. Der Kopf dieser Bande sitzt mittlerweile im Todestrakt.

HSG: Wie geht es Sarah, Shane und Josh derzeit?

SNM: Shane und Josh sitzen gemeinsam in einer Zelle. Zwei Stunden am Tag haben sie Hofgang. Sarah geht es schlechter. Sie sitzt in Einzelhaft. Eine Stunde am Tag dürfen Josh und Shane sie sehen. Sarah befürchtet Krebs zu haben. Sie zeigte ihrer Mutter bei deren einziger Visite im letzten Mai einen Knoten in der Brust.

Websiten:

freethehikers.org (Website der Eltern)
freeourfriends.eu (Website der Freunde)

Zur taz Version (kürzer): http://www.taz.de/1/politik/nahost/artikel/1/warum-haelt-iran-us-kriegsgegner-fest/

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