Her mit den Abschlussfeiern

Während die Zürcher Hochschule der Künste Ihre Absolventen zelebriert, ist der Studienabschluss an ETH und Uni recht glanzlos. Sollte man das nicht ändern?

Hannes Grassegger

Die Zürcher Hochschule der Künste ZHdK feiert ihre Studenten. Wochenlang luden im Juni Poster mit rotem Kreuz auf weissem Grund die Öffentlichkeit zu Ausstellungen, Konzerten, Filmscreeenings, Theateraufführungen, kurz: zur Präsentation der ZHdK Abschlussarbeiten. Sogar die Presse wird kontaktiert. Nicht nur die ZhdK selber wird zur Ausstellungsfläche, auch bekannte Kulturorte wie die Theaterräume der Gessnerallee und der Roten Fabrik werden bespielt. In den Vorjahren nutzte man die Tonimolkerei und den Güterbahnhof.

Anders die „Diplomfeier“ an der Universität Zürich, Beispiel Wirtschaftswissenschaften. An zwei Stichtagen im Jahr, werden frühabends Titel verliehen. Von 18.30h bis 19.30h erhalten Nachnamen die mit A bis G beginnen, ihre Abschlussurkunde. Absolventen dürfen mit je drei Gästen in der Aula der Universität erleben, wie sich der Dekan, dann ein prominenter Alumni bemühen eine inspirierende Rede zu halten. Es folgt ein musikalisches Intermezzo, später der alphabetische Aufruf der Namen. Vorlaufen, ein freundlicher Händedruck, zwei Sätze, Zeugnis in der Hand, einreihen, lächeln. Nach einer knappen Stunde ist alles vorbei.
Schlimmer noch: Der Untergang der Abschlussarbeiten. Der mühsam erkämpfte Erkenntnisgewinn verschwindet in den Tiefen der Festplatte der Tutoren, ein paar Ausdrucke wandern in die Archive der Zentralbibliothek. Die breite Öffentlichkeit bekommt die Arbeiten nie zu sehen. Wie gerne Absolventen das anders hätten, beweisen boomende Uploadplattformen für Studienarbeiten.

In der Roten Fabrik herrscht grosser Andrang. Die knapp dreissig Masterarbeiten des Studiengangs Master of Fine Arts werden gezeigt. Verwandte, aber auch Fachwelt ist vor Ort. Gallerist Jonathan Garnham aus Südafrika sucht mit Künstler Kerim Seiler nach Talenten für ein Projekt; Benjamin Sommerhalder, Inhaber des Kunstbuchverlages Nieves ist angetan von Zuni Halpern, die auf Postern Computergrafik mit Handgezeichnetem kontrastiert. In einem berstend vollen, kinosaalgrossen Raum wandert das Künstlerkollektiv U5 mit Fantasy-Tiermasken durch eine bizarre Plastiklandschaft, dazu läuft ein Experimentalfilm.

Studiengangsleiter Thomas Müllenbach ist erfreut über das Publikumsinteresse: „Es ist ein gezieltes Kontaktieren der Öffentlichkeit. Kunst braucht Öffentlichkeit. Das ist Teil unseres Leistungsauftrages, zu zeigen, was unsere Jahrgänge erarbeiteten. Wir vergleichen uns mit Bern, Basel und Luzern.“ Deren Kunstschulen stellten sich auch in die Öffentlichkeit. Und wirklich schleichen auch ein paar Berner Galleristen und Kunstdozenten mit kritischem Blick herum.

Im ZHdK Gebäude der Ausstellungsstrasse 60 präsentieren sich die Absolventen von Designstudiengängen wie Grafik, Textil, oder auch die knapp ein Dutzend Arbeiten des Studiengangs Interactiondesign IAD, der Zugänge zur digitalen Welt jenseits der Tastatur erprobt. Ein Blick auf die IAD Ausstellung zeigt jede Menge zukünftiger Geschäftsmodelle. Es gibt Apps für Allergiker, elektronische Hilfsmittel für Schlaganfall-Patienten, ein Windowshopping Tool, mittels dessen Schaufenster zur Einkaufsmöglichkeit werden. Nino Cometti, 27, selber ZHdK-Alumni und Mitgründer der App-Produktionsfirma Dreipol shoppt etwas anderes: er hat Absolvent Simon Müller (siehe Kasten) als Mitarbeiter gewonnen. Die Diplompräsentation verschaffe Arbeitgebern die rare Möglichkeit, Absolventen zu vergleichen und zu kontaktieren, meint er.

Sollten nicht auch ETH und Uni Zürich solche Präsentationen einführen? Der Dekan der Wirtschaftswissenschaften, Prof. Falkinger, empfände dies als unangemessen. Der Jobmarkt funktioniere und „die Universität ist bereits ein öffentlicher Ort, Master und Diplomarbeiten findet man in der Bibliothek.“ Motto der Uni sei zwar „Wissen teilen“, dabei wolle man aber keinen Fokus auf studentische Arbeiten legen. Die Verleihungszeremonie würde von vielen geschätzt als „festlich und sehr schön.“

Prof. Joseph Schwartz von der ETH Architektur zeigt sich hingegen angetan von den Methoden der ZHdK, das sei „ eine wunderbare Plattform.“ ETH-Architekten zeigten bereits in Foyer und Seitenflügel ihre Abschlüsse auf Postern und Modellen, aber ohne persönliche Präsentation. Doch Schwartz sieht es als Teil der Mission des Departments, „gute Architektur unter die Leute zu bringen.“ Weil die Disziplin sich rasant entwickle gäbe es Vermittlungsbedarf. Das sei zudem gutes Training. Nur wieweit das auf theoretischere oder technischere ETH-Studiengänge anwendbar sei? Und ob das mit pro Semester etwa 100 Studenten machbar sei?

Der logistische Aufwand wäre sicher riesig. Die Universität Zürich allein hat etwa elfmal so viele Studenten wie die 2500 ZHdK-Schüler, dabei nur sechsmal so viele Angestellte. Monatelang seien die Vorbereitungen gewesen, viel Stress, teils auch auf Kosten anderer Aufgaben, erzählen ZHdK Studenten am Abend in der Ausstellungsstrasse, Es ist zehn: „heut nacht muss ich noch meine theoretische Arbeit fertigschreiben“, meint ein Jungdesigner und sucht in einem Bier Hoffnung.


Sebastian Schaub,
27, Absolvent Master Fine Arts 2011, ZHdK


Ausstellen heisst sich positionieren. Ich war vor der Eröffnung etwas aufgeregt. Es gab Leute, die richtig mit Verwirrung und Unsicherheit zu kämpfen hatten. Andere wussten genau was tun. Ich habe zwar schon hier und da ausgestellt, aber was mir hier gefällt, ist die Möglichkeit, Freunden und Familie zu zeigen, was ich tue. Ich geniesse, jetzt am Eröffnungsabend bei meiner Arbeit zu stehen und zu sehen ob und wie meine Arbeiten funktionieren für die Besucher. Gleichzeitig ist das hier ein sicherer Rahmen im Gegensatz zu einer kommerziellen Galerie. Kuratiert hat der Studiengangsleiter in Absprache mit den Studenten, unterstützt wurden wir von Dozenten und Assistenten.


Michael Eitle,
25, Student Masterstudium Jus, Uni ZH


Ich werde meinen Mastertitel erst demnächst verliehen bekommen, aber auf die Verleihung freue ich mich. Wir Juristen erhalten unsere Urkunden an einer Feier im Grossmünster, es gibt klassische Musik, alle sind gut gekleidet, im Anschluss folgt ein Apéro. Eine öffentliche Präsentation der Abschlussarbeiten kann ich mir nur schwer vorstellen. Juristen schreiben ein bis zwei Masterarbeiten, die zusammen 30 Punkte ergeben müssen. Sie werden entweder in einem Seminar oder beim Tutor präsentiert, sind aber meist so fachspezifisch, dass ich denke, eine juristische Masterarbeit kann für einen Nichtjuristen kaum von besonderem Interesse sein.

Simon Müller,
25, Absolvent Bachelor Interaction Design 2011, ZHdK


Mein Studienkollege Alain Frapolli und ich haben ein iPhone-Applikation entwickelt, die Einzelnen und Gruppen ermöglicht, ganz einfach Musik zu machen. Die Diplomausstellung war sehr aufwändig, zwar hat unsere Studiengangsleiterin Karmen Franinovic uns sehr geholfen, aber wir müssen währenddessen noch die theoretische Arbeit schreiben, und die Endpräsentation vorbereiten, ich muss nachts noch daran arbeiten. Die Ausstellung war Anreiz, alles zu geben. Und auch ein bisschen Wettbewerb zwischen den Studenten. Was super ist: Wir kriegen User-Feedback. Und ich habe einen Arbeitgeber gefunden!

Suche

 

Aktuelle Beiträge

Mein Buch: Das Kapital...
Unsere Daten müssen uns gehören. Diese einfache Idee...
hannes1 - 11. Jul, 10:25
Gerald Loeb Award for...
Incredibly honored. Infos here.
hannes1 - 4. Jul, 16:37
Hannes Grassegger - Economist
Hannes Grassegger Photo: Felix Grisebach Twitter:...
hannes1 - 26. Jun, 20:29
3sat "Kulturzeit"
"Opa hat keine Lösung" – Meine Kritik des neuen Jaron...
hannes1 - 6. Jun, 15:15
Events 2018
Here is my schedule for 2018. I am just starting...
hannes1 - 5. Jun, 23:10
Neue Publikationen 2018
Juni: - Das Kapital bin ich. Kein & Aber Verlag....
hannes1 - 4. Mai, 15:34

RSS Box

Status

Online seit 6743 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 1. Sep, 08:36

ABOUT & CONTACT
Abstrakt
akademische mitteilungen
AlJazeera
apparel resources India
ARTE
Arts Exhibitions
Auftritte
Beobachter
brand eins
Business Punk
Campus Verlag
Capital
CNN International
Das Magazin
Die Südostschweiz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren