Tür zu im Black Music Himmel

Klemens Wempe schliesst nach 13 Jahren seinen Schallplattenladen Sonic Records. Als DJ bringt er seine Musik aber weiter unters Volk.

Von Hannes Grassegger

Es sind die allerletzten Tage des Sonic Records, des kleinsten aller Zürcher Plattenläden. Traurig sieht Inhaber Klemens Wempe aus, wenn er zum Abschied noch einmal sagt: «Bis bald.»

Ein Nachmittag im Lokal nahe der Bäckeranlage ist vorbei. Stundenlang wanderten die Hände durch Plattenkisten, verlor man sich in Kisten unerhörter Welten. Platte rausziehen, 300 Gramm auf der Hand. Cover anschauen, innen schwarz-glänzendes Vinyl.

«Was ist das, Klemens? Kommen die nicht von... Aha! Mal reinhören. Aber zu Deinem Nachruf – Hast Du Tipps für Plattenhändler?»

Doch Ratschläge will Wempe nicht hinterlassen. Was gäbe es auch zu sagen? Jeder wisse, dass Tonträger heute Liebhaberobjekte seien, Plattenläden über kurz oder lang schlössen. Schon 1997, als Sonic Records eröffnete, sei das vorhersehbar gewesen. Plattenläden seien Liebhabereien, viele Betreiber in Zürich finanzierten sich quer. Durch Gastronomie, Modeecke oder Versicherungsjob, verrät der gebürtige Lausanner, der seinen Laden zuletzt mit DJ-Gagen subventionierte. Wenn Klemens Wempe eine Idee hätte, wie sein Traumberuf zu retten wäre, würde er nicht zumachen. «Musik ist das Ding!», sagt er.

Glücklich beim Diggen

Er habe sich 13 Jahre Entdecken finanziert. Es sei wie Weihnachten, wenn das Paket vom Vertrieb komme, man die Scheiben erstmals in der Hand halte, reinhöre, entdecke. Und dann sei da der Glücksmoment, die Freude zu teilen, jemandem auch zu einer Entdeckung zu verhelfen, gemeinsam tiefer einzutauchen. Auch in die kulturellen Aspekte. Wempe zeigt auf die Bücher und DVD Ecke. Ein Bildband voller Plattencover, ein politisches Buch des Graffiti-Writers Upski. Die guten Gespräche über Musik und Kultur wird er vermissen.

Wempe liegt der Handel mit Kulturgut im Blut. Er kommt aus einer Buchhändlerfamilie. Am liebsten aber hatte er das «diggen», das Suchen in Plattenläden. «Buchhändlerei war nur Pflicht.» Nach der Lehre im Obwaldner Sarnen zog der 18-jährige dahin, wo die Musik spielte: Zürich, 1984. Wo es Experimentelles, Indie und Wave gab, wühlte sich der Jüngling glücklich durch die Plattenkisten. Er arbeitete in der Züri-Bar zum Sound seiner Tapes, begann aufzulegen. Dann kam der Traumjob im Plattenladen Halbtanz an der Josefstrasse. Als dieser schloss, eröffneten die beiden Ex-Halbtanzler Wempe und Lukas Weyermann den winzigen Sonic Records.

Wempes Spezialgebiet war mittlerweile Black Music: Hiphop, Funk, Soul. Weyermann war der Punk- und Hardcore-Fan. Jeder hatte seine Ecke. Langsam baute man auf, Kiste für Kiste, alles ohne Kredite. Aber auch ohne Profit. Nach einem Jahr war Wempe alleine. Doch der Hiphop-Boom half, Sonic wuchs, immer ein bisschen. Bis ab 2005 das Geschäft wegbröckelte. Das ganze Jahr 2010 brauchte der ruhige Hüne, um endgültig loszulassen. Ende Januar, nach dem Ausverkauf, ist es vorbei.

Vermittler von Musikkultur

Weitermachen wird Klemens Wempe erstmal als Veranstalter von Partyserien wie Soul Stew und Freak Beat im Zürcher Helsinki. Und als DJ. Allein diese Woche legt er dreimal auf: Als DJ Soulsonic in Biel, als Herr Wempe in St. Gallen und dann noch in Winterthur. Während der Umsatz einbrach, stieg Wempe als DJ auf.

Man schätzt Klemens Wempe als Vermittler von Musikkultur. Im Sonic Records traf man neben Rappern auch Kunstprominenz wie Peter Fischli und Urs Fischer. Wie man freudvoll Musikkultur vermittelt, zeigte Wempe, als er mit DJ und Grafiker Ivan Sterzinger die international erfolgreiche Veranstaltungsreihe Raphistory entwickelte. Einen tanzbaren Mix aus Party und Lehrveranstaltung; 30 Jahre Rapgeschichte, mit Fanzines, Videos, Kassettenmitschnitten. Aktuell laufen Raphistory «Vorlesungen» in Biel, St. Gallen und Warschau.

Kunden tröpfeln herein. Interessiert betrachtet Klemens einen Plattenstapel. Bald hat er Zeit. «Ich freu mich drauf, wieder mal in aller Ruhe diggen zu gehen.»

Suche

 

Aktuelle Beiträge

Mein Buch: Das Kapital...
Unsere Daten müssen uns gehören. Diese einfache Idee...
hannes1 - 11. Jul, 10:25
Gerald Loeb Award for...
Incredibly honored. Infos here.
hannes1 - 4. Jul, 16:37
Hannes Grassegger - Economist
Hannes Grassegger Photo: Felix Grisebach Twitter:...
hannes1 - 26. Jun, 20:29
3sat "Kulturzeit"
"Opa hat keine Lösung" – Meine Kritik des neuen Jaron...
hannes1 - 6. Jun, 15:15
Events 2018
Here is my schedule for 2018. I am just starting...
hannes1 - 5. Jun, 23:10
Neue Publikationen 2018
Juni: - Das Kapital bin ich. Kein & Aber Verlag....
hannes1 - 4. Mai, 15:34

RSS Box

Status

Online seit 6743 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 1. Sep, 08:36

ABOUT & CONTACT
Abstrakt
akademische mitteilungen
AlJazeera
apparel resources India
ARTE
Arts Exhibitions
Auftritte
Beobachter
brand eins
Business Punk
Campus Verlag
Capital
CNN International
Das Magazin
Die Südostschweiz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren