Warum in Berlin studieren?

HUMBOLDT

Berlin ist auf den ersten Blick eine unnötige Destination für Schweizer Studenten die qualitative Auslandsuniversitäten suchen. In Wirklichkeit kann man dort viel Spezielles auf hohem Niveau studieren und erfahren. Das ist nicht immer easy.

Hannes Grassegger


„Warum in Berlin studieren?“ fragt die Dame der Abteilung internationale Beziehungen der Universität Zürich ungläubig zurück. Recht hat sie. Berlin ist nicht nötig, ginge man von internationalen Uni-Rankings aus. Eigentlich könnte man gleich in der Schweiz mit ihren zehn Universitäten bleiben. Vor allem als Naturwissenschaftler oder Ingenieurin. So arbeiten auch nur 48 Schweizer in diesem Feld in der Grossstadt an ihrem Abschluss.

Deutschland ist die wichtigste Auslandsdestination der Schweizer Studenten, Berlin wichtigstes Studienziel der 2170 Schweizer die im vergangenen Wintersemester an Deutschen Universitäten als Haupt- und Nebenhörer eingeschrieben waren. Fast jeder fünfte von Ihnen, paukt in einer der acht Universitäten, vier Kunsthochschulen oder siebzehn Fachhochschulen Berlins. Vielfältig sind die gewählten Fächer. Der Grossteil sind Sprach- und Kulturwissenschaften, es folgen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, drittplaziert sind die Kunstschüler und -wissenschaftler, immerhin fast ein Viertel des Kontingents. Sagt das Amt für Statistik Berlin Brandenburg.

Gemischte Erfahrungen

Schweizer Studenten in Berlin machen gemischte Erfahrungen. Berlin sei keine echte Fashionstadt, bedauert die Modedesignstudentin Adriana Quaiser (siehe Kasten) und spricht von „kalter Mode“ und Stylezwang in Berlin Mitte. Botschaftspraktikant Daniel Hardegger sieht die Stadt aber auch als gutes Sprungbrett für eine internationale Karriere. Ob dies die etwa halb so hohen Löhne für Absolventen ausgleicht ist eine Frage der Preise. Und das Leben in Berlin ist zwar billig, Wohnen werde aber zunehmend teurer, hört man unisono. Niedrige Lebenshaltungskosten von monatlich 600 – 800 Euro inklusive Miete, Krankenkasse und Semestergebühren von etwa 270 € sind bei Studentenlöhnen von 6-10 Euro pro Stunde hoch. Zum jobben fährt man in die Heimat. Gemeinsam ist daneben das Heimweh nach Natur und Bergen sowie die Erfahrung der eigenen Unwichtigkeit zwischen gesamthaft 134.000 Studierenden bei 3,4 Millionen Berlinern. Herausfordernd sei die rasante, sachorientierte Diskussionskultur der Deutschen. Und die Metropole in ihrer Vielfalt zu erfassen, sich mit verschiedenen Kulturen, Eigenheiten und Kiezen auseinander zu setzen, betont Hardegger.

Vielfalt und Spezialisierung

Essentiell am Studium aber ist die spezialisierte Lehre, und die sei trotz organisatorischer Mängel und Bürokratie oft hervorragend, erzählt nicht nur Absolvent Philipp Messner (siehe Kasten), sondern auch der Berner Manuel Scheidegger, DAAD Preisträger für herausragende Leistungen ausländischer Studierender. Der 28-jährige Philosophistudent hat seit 2007 akademische Karriere gemacht an der grössten Berliner Universität, der Freien Universität (FU). Derzeit befindet er sich in der heissen Phase seiner Masterarbeit. In seinem Studium wollte Scheidegger seit jeher szenische Künste und theoretische Philosophie vereinen. Für ihn ist Kunstschaffen eine eigenständige Form des Philosophierens. Früher, in Basel hätte er sich entscheiden müssen, Bühne oder Philosophie. Er ging, suchte weiter im lahmen Hildesheim wo es zwar einen passenden Kombinationsstudiengang gab, nicht aber die dazugehörige Lebenswelt. Über einen Dozenten fand er in Berlin seinen Platz in der theoretischen Philosophie und ein Netzwerk zur Umsetzung seiner Ideen. Sein Weg ist ein gutes Beispiel für das was Rankings und Statistiken nicht zeigen und Berlin bietet: Raum für das Wechselspiel der Erfahrung von Vielfalt bei gleichzeitiger individueller Spezialisierung. Und Diskussionspartner.

Drei Erfahrungsberichte:

Adriana Quaiser (25) ist da

Seit 2006 studiere ich Modedesign an der Universität der Künste, jetzt im siebten Semester. Noch zwei Semester, ein Praktikum, dann ist Diplom. Ich habe Damenschneiderin gelernt doch das Bewerbungsverfahren der UdK ist machbar. Erst schickt man ein Formular. In der zweiten Runde bekommt man eine Hausaufgabe und drei Wochen Zeit. Es folgt eine zweitägige Prüfung. Man bringt seine Mappe und fertigt etwas an, das man erklären muss. Das ist der Stil der UdK. Ich lerne viel, jedes Semester fordert mich. Am Anfang war der Selektionsdruck hart, einiges war unorganisiert, die Uni riesig. In Berlin ist man eine von vielen. Doch im Hauptstudium sind wir eine kleine Klasse. Nach dem Diplom will ich zurück. In der Schweiz ist es einfacher und ich schätze Qualität. Berliner Stoffläden sind leider echt eklig.

Philipp Messner (34) ist zurück

Ich habe an der Humboldt Universität und an der Uni Potsdam zwischen 2003 und 2009 Kulturwissenschaft und Jewish Studies studiert. Nach Berlin kam ich, weil ich nach Deutschland wollte, raus aus der Schweiz, in eine grosse Stadt, Neues erleben. An die HU zogen mich die herausragenden Dozenten in diesem damals neuartigen Studienfach. Die HU war chaotisch, aber das Essentielle stimmte: Spitzenforschung und Top Dozenten wie Friedrich Kittler. Anders war Potsdam: eine langweilige Uni. Ich kam nur wegen meines Dozenten. Nach dem Magister im Mai ging ich in die Schweiz, da ich hier im Archivwesen für visuelle Medien arbeiten will. Eine kleine Branche, die hier durch Qualitätsanspruch und Innovationsfreude besticht.

Tina Müller (29) bleibt

Nach Berlin ging ich 2004 nur um szenisches Schreiben an der Universität der Künste zu studieren. 2008 schloss ich ab. Nur alle zwei Jahre wird der im deutschsprachigen Raum einzigartige Studiengang ausgeschrieben. Acht Leute lernen von acht Professoren Schauspiel, Hörspiel und Filmdrehbücher zu arrangieren. Das ist familiär und reizvoll, gegen Ende war’s eng. Berlin ist nicht so geldorientiert, hier kann man mit wenig leben, manche schaffen es mit 600 Euro im Monat. Schon ab 2005 finanzierte ich mich über meine Bühnenstücke. Als junge Mutter ist die Förderung für Familien besser als in der Schweiz, vor allem bei Kindertagesstätten. Eigentlich wollte ich in Zürich Regie lernen. Jetzt mag ich Berlin und bleibe. Im Nachhinein war es gut, Zürich zu verlassen.


Nützliche Links für Online zu Anmelden, Umziehen, Wohnen, Studieren, Reisen:

Deutsche Botschaft in Bern: http://www.bern.diplo.de

Schweizer Botschaft in Berlin: http://www.eda.admin.ch/berlin.html

Hochschulkompass zur generellen Orientierung bzgl. Ort und Fach: http://www.hochschulkompass.de/
Arbeits- und Service Stelle für Internationale Studienbewerbungen Uni-Assist: http://www.uni-assist.de/
Deutscher Akademischer Austauschdienst DAAD: http://www.daad.de/deutschland/index.de.html

Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung: http://www.berlin.de/sen/bwf/

Portal zu grenzüberschreitenden Fragen zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz im Allgemeinen (Wohnung, Arbeit, Studium, Steuern): http://www.infobest.eu

Wenn man gleich auswandern will: http://www.swissemigration.ch

Versicherungsvergleich in Deutschland:http://www.krankenversicherungen.net/pkv/index.htm

Praktische Infoseiten der Humboldt Universität:

HU: http://www.international.hu-berlin.de/an_die_hu/wegweiser

Website des Studentenwerks Berlin (Wohnen, Jobs, Mensas, Kontakte): http://www.studentenwerk-berlin.de/

Online Forum Studenten Berlin: http://www.studis-online.de/Fragen-Brett/list.php?22

Hochschulmesse März 2010: http://www.studieren-in-bb.de/aktuelles/hochschulmesse/

Billigste Reisemöglichkeit, die Mitfahrzentrale: http://www.mitfahrgelegenheit.de/

Billig mit dem Zug: Click and Rail: https://www.sbb.ch/mct/wi/shop/b2c/cnr.do?n=0
oder City Nightline: http://www.citynightline.ch/nachtzugreise/view/schweiz/index.shtml

Billige Flüge von Air Berlin und Easy Jet.

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