Montag, 12. September 2011

Die kommerziellste Kunstschule der Welt.

EIn Besuch in der vielleicht kommerziellsten Kunstschule der Welt. Hier sollen Studenten lernen, wie der Rubel rollt.

Von Hannes Grassegger

In der flackernden Hitze auf den Hügeln von Pasadena thront der schwarze Stahlkasten mit den riesigen Fenstern wie eine lange Brücke über einem ausgetrockneten Flussbett. Unten drückt der Smog auf Los Angeles. Oben beim Campus ist die Luft gut. Das Art Center College of Design gehört laut «US-News» und «Business Week» zu den amerikanischen Spitzenuniversitäten für Design und Kunst. Im Bereich Industriedesign ist es gar die Nummer eins, allen voran im Transportation Design. Ein Drittel aller amerikanischen Autos werden laut Schätzung der Schule von Art-Center-Absolventen gestaltet. Die Fahrzeuge aus «Tron» und «Blade Runner»; aber auch mancher Ferrari und Mercedes kommen von hier; der ehemalige Chefdesigner von BMW studierte am Art Center.

Bekannt wurde das College für seine Kriegsfotografen, es folgten die Autodesigner, dann kam 1976 das Filmdepartment. Regisseur Zach Snyder («300») oder Oscar-Gewinner Roger Avary (Co-Autor von «Pulp Fiction») lernten hier. Als erste Universität der USA lehrt es seit kurzem Filmen in 3-D. Wegen des Studiengangs Designmatters erhielt das Art Center 2003 die Anerkennung als Nichtregierungsorganisation NGO (siehe auch Interview nebenan).

«Transformers» als Vorbild

Nicht allein die Freude am Fortschritt, vielmehr der Erfolg vieler Absolventen zeichnet die Schule aus. Etwa 80 Prozent aller Art-Center-Filmabgänger finden innert eines Jahres einen Job in der Filmindustrie. Das ist erstaunlich. Und liegt an der Ausrichtung der Schule: Das Art Center ist die vielleicht kommerziellste Kunstschule der Welt. Hier sollen Künstler und Designer lernen, mit ihrer Passion Geld zu machen. Von Kunst und Kommerz als Gegensätze halten die Kalifornier nichts.

Im Filmdepartment nennt der hünenhafte Leiter Ross LaManna (u. a. Macher von «Rush Hour») lachend sein Erfolgskriterium: «Wenn es nicht auf 4000 Leinwänden läuft, dann frag dich mal, was du da tust.» Für LaManna ist Regisseur Michael Bay ein Vorbild. Der Art-Center-Absolvent Bay gewann zwar 2010 gleich drei Goldene Erdbeeren (unter anderem für die schlechteste Regie) für seinen zweiten «Transformers»-Streifen, spielte damit aber mit über 800 Millionen Dollar einen der grössten Erfolge der Filmgeschichte ein.

«Sieben der zehn Finalisten des nationalen Werbefilm-Awards 2011 waren Art-Center-Schüler. Wir sind voll kommerziell. Unsere Leute sollen starke visuelle Erzähler sein», sagt LaManna. Derzeit lernen 90 Bachelor- und 50 Master-Studenten bei 32 Lehrkräften. Die meisten unterrichten Teilzeit, da LaManna nur Praktiker aus grossen Hollywood-Produktionen lehren lässt.

LaMannas Konzept gleicht dem aller Art-Center-Departments: loslegen, Skripte schreiben, arbeiten, wie wenn es echt wäre, wenig Theorie, dafür sofort im hauseigenen Studio drehen. Sommerferien gibt es nicht, statt wie anderswo zwei Semester pro Jahr gibt es hier drei Trimester zu je 14 Wochen. Zusätzlich gibt es Kurse zur Vermarktung. «Unsere Pitching-Klasse lässt den Leuten das Blut in den Adern gefrieren. Da lade ich bekannte Produzenten ein, deren Aufmerksamkeit die Schüler gewinnen sollen. Die Produzenten telefonieren mitten im Screening, essen, gehen raus. Wie echt.» Nach dem Abschluss sollen die Absolventen loslegen können. Zum Curriculum gehören auch Praktika, am besten bei den bekanntesten Leuten, die LaManna auftreiben kann. «Wir sind bei Hollywood. Ich ruf da einfach an.»

Jeder Vierte wird abgelehnt

Auch Laurence Dreiband, Leiter der Fakultät Bildende Kunst, hält den Begriff Applied Art hoch: zwei Drittel praktische Ausbildung im Studio, ein Drittel Know-how, Netzwerk, Assistenzen. Er bietet Pflichtkurse zum Umgang mit Galerien, zu Urheberrechten und zur Lagerung der Werke. Darüber hinaus helfe man, künstlerische Fähigkeiten zu fördern, die ein alternatives Einkommen zur Subventionierung des Kunstschaffens bieten könnten. Es gelte Wissen zu transferieren. «Manche assistieren mit geschultem Auge drei Monate beim Film, statt im Café auszuhelfen. Anschliessend haben sie Zeit und Geld für ihre Kunst.» Dreiband erklärt die praktische Ausrichtung des College mit der Verwurzelung in der Wirtschaftskrise der 1930er, der Gründungszeit des Art Centers: «Damals ging es für Künstler ums Überleben.»

Die Ausbildung kostet aktuell 16 296 Dollar pro Term. Das macht für ein Bachelor-Studium etwa 111 000 Franken. Das American Film Institute, derzeit beste Filmschule weltweit, verlangt 72 000 Franken. Auch wenn 80 Prozent der Studenten Zuschüsse erhalten - viele überlegen sich die Investition lange. Die meisten ArtCenter-Studenten sind Mitte zwanzig und haben bereits eine Ausbildung hinter sich. In langen Vorgesprächen, oft über mehrer Monate wird versucht herauszufinden, ob das Art Center der richtige Ort ist. Erst im Anschluss folgt ein formelles Bewerbungsverfahren. Bei dem im vergangenen Jahr 26 Prozent abgelehnt wurden.


Zum Thema: Studiengang Designmatters am Art Center Pasadena

Wie man als Designer in soziale Berufe kommt.

Ein Studiengang, der das Art Center in Pasadena zur weltweit ersten Designschule mit offizieller Anerkennung als Nichtregierungsorganisation durch die UN werden liess.



Mit Studiengangsleiterin Mariana Amatullo sprach Hannes Grassegger

Was ist Designmatters?
Das ist eine Bachelor-Studienvertiefung und ein Department am Art Center Pasadena. Wir nutzen den praktischen Ansatz des College, um die Studenten an der Lösung echter Probleme zu beteiligen.

Um was für Probleme geht es?
Wir befassen uns mit Gesundheitsfragen, nachhaltiger Entwicklung, sozialem Unternehmertum und Ähnlichem. Es kommen Probleme aus Wirtschaft, Technik, Anthropologie zusammen. Die Arbeit der Studierenden ist sehr interdisziplinär.

Wie kommen Sie zu den Aufträgen?
Institutionen und Projekte kontaktieren uns mit Problemstellungen und Ideen. Wenn etwas lehrreich für die Studenten ist und gleichzeitig echte soziale Auswirkungen in grösserem Massstab haben kann, bringen wir das als Aufgabe für die Studenten ein.

Wie sehen solche Arbeiten konkret aus, was bewirken sie?
In Chile beispielsweise haben zwölf Studenten für Slumbewohner vor Ort Methoden entwickelt, die ihnen einen würdigeren und hygienischeren Umgang mit Wasser erlauben. Das waren Tretpumpen, um sich zu duschen, Halterungen für Spülbecken, ein Infosystem, um die vielfältigen Lösungen, die Leute erfunden hatten, zu verbreiten und zu archivieren. Und eine Gemeinschaftswaschküche, die als soziales Zentrum funktioniert. Nach dem Erdbeben hat Unilever zusammen mit uns und der chilenischen Regierung zehn solcher Waschzentren installiert. Alle profitieren. Ein Private-Public-Partnership.

Ihre Schule ist eine Nichtregierungsorganisation, eine NGO. Was bedeutet das für die Studenten?
Wir sind als einzige amerikanische Designschule seit 2003 bei der UNO und anderen überstaatlichen Organisationen als NGO registriert. Das bringt uns Glaubwürdigkeit und ermöglicht unseren Studenten, an spannenden Projekten teilzunehmen. Sie können leichter in Organisationen einsteigen, um dort Praktika und Jobs zu finden. Unser Netzwerk ist in all den Jahren gewachsen. Wir können damit Designern einen Weg in den sozialen Bereich zeigen.

Was sind die neuesten Themen?
Wir haben im Mediendesign-Department den neuen Kurs «Media Design Matters» angesetzt. Dort geht es beispielsweise um das Entwickeln von sozialen Netzwerkansätzen, um Wandel zu ermöglichen. So, wie kürzlich Facebook und Twitter in der arabischen Welt eingesetzt wurden.

Zur Person:
Mariana Amatullo

Die Designmatters- Studiengangleiterin hat am Art Center Pasadena einen weltweit einzigartigen Studienansatz mitaufgebaut.

Freitag, 19. August 2011

Die Macht der Worte

Von Hannes Grassegger

In der aktuellen Wirtschaftslage tritt ein paradoxes Element der Marktwirtschaft zutage: die selbsterfüllende Prophezeiung. Eine Idee wird zur Realität, unabhängig vom Wahrheitsgehalt, allein durch den Glauben der Marktakteure. So stürzte der Wert der französischen Grossbank Société Générale vergangene Woche trotz guter Ergebnisse zwischenzeitlich um fast ein Viertel ab. Das englische Boulevardblatt «Mail on Sunday» hatte ein unfundiertes Gerücht über deren lamentablen Zustand abgedruckt. Bei Anlegern ging die Nachricht von Blackberry zu Blackberry, global in das Portfolio - woraufhin der Kurs der Bank sank. Wir seien in einer neuen Welt, sagen Händler, Forscher und Politiker. In einer Welt, in der alles sich neu arrangiere, in der alles, was früher als sicher galt, wie US-Staatsanleihen, plötzlich angezweifelt wird.

Auch auf staatlicher Seite, wo derzeit wegen hoher Schulden und erschöpfter Notenbanken die realen Mittel aufgebraucht scheinen, sind es die Worte, die zählen. Ein Beispiel aus der Schweiz ist der Frankenkurs. Die Politik wusste nicht, was tun, da gab die Nationalbank ein Interview. Resultat: «Schweizer Machtwort zum Franken», titelte die Financial Times Deutschland am Freitag, «eine Zentralbank macht nur eine kleine Andeutung, und prompt reagieren die Märkte wie gewünscht.» Der Kurs des Euro stieg um fast zehn Prozent im Verhältnis zum Franken. Fazit: Das Mittel der Verbalintervention ist zum wirkungsvollen Bestandteil des geldpolitischen Instrumentariums geworden.

Schriftsteller an die Macht

Gespannt warten wir in Anbetracht der allgemeinen Unsicherheit auf die weiteren Prophezeiungen von Autoritäten. Draussen in der Welt machen Gerüchte eines Double Dips, eines zweiten Abschwungs die Runde. Worte werden mitbestimmen, ob wir tatsächlich hineinfallen. Ein Blick auf die weltweit grundsätzlich blühende Realwirtschaft - China ist nach wie vor kraftvoll, sogar die USA verzeichnen Wachstum - zeigt: gut möglich, dass wir nicht hineinfallen. Doch warten wir auf die Worte, die dazu folgen. Sie zählen derzeit mehr als Taten. Vielleicht ist es Zeit, dass Schriftsteller die Wirtschaft in die Hand nehmen.

Samstag, 6. August 2011

Die unheimliche Macht

Tages-Anzeiger Grassegger

Der Präsident der USA, des mächtigsten Landes der Welt, hat ein Problem. Er regiert nicht mehr. Er wird regiert. Auch wenn die Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten wohl in letzter Minute abgewendet wird, so bleibt er ein Getriebener.

Hannes Grassegger

Was Barack Obama fürchtet, sind die Ratings, wie er am 25. Juli in einer Rede an die Nation erklärte: «Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes könnte uns die Topnote AAA abgesprochen werden.» Dadurch würden die Investoren weltweit verunsichert, ob die USA weiterhin eine gute Anlage seien. Die Angst kommt nicht von ungefähr: Die grossen Rating-Agenturen hatten mit einer nachträglichen Herabstufung der USA gedroht, wenn der Staatsbankrott zwar abgewendet, aber Obamas Lösung in ihren Augen «nicht nachhaltig» sei. Nun warten alle auf ihr Urteil.

Staaten wie Schüler benotet

Die Ratings, die für Obama zählen, werden von den drei führenden Agenturen ausgesprochen: Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch. Sie bewerten die Fähigkeit, Schulden bezahlen zu können. Wie bei Schulnoten werden alle Leistungen von den Agenturen zu einem Wert zusammengefasst. Das höchste Rating ist Triple A, also AAA. Es bedeutet uneingeschränktes Vertrauen – das genoss die Wirtschaftsmacht Nummer 1 seit je.

Auf dessen Basis liehen selbst die risikoscheusten Geldgeber weltweit der USA Mittel. Solche Investoren – Pensionskassen, Versicherungen oder Banken – folgen den Rating-Agenturen. Oft dürfen sie nur in mit Triple A benotete Anlagen investieren. Verliert ein Kreditnehmer die Höchstnote AAA, müssen sie ihre Gelder abziehen. Das kann für den betroffenen Schuldner zu aufwendiger Kreditsuche, zu immer höheren Zinsen – und in einen Teufelskreis führen.

Wenig transparente Kriterien

Welche Lösung der US-Schuldenkrise «nachhaltig» wäre, entscheiden die Rating-Agenturen aufgrund wenig transparenter Richtlinien. Selbst wenn ihre Note aufgrund fehlerhafter Annahmen ausgesprochen würde, könnte ein negatives Rating wegen der beschriebenen Konsequenzen, das heisst dem Abzug institutioneller Anleger, eine selbst erfüllende Prophezeiung werden, wie eine aktuelle Studie der Hochschule St. Gallen (HSG) bestätigt.

Können die Rating-Agenturen einen so komplexen Staatshaushalt wie jenen der USA, ein Geflecht von Millionen von Verträgen, überhaupt auf eine Note reduzieren? Das bezweifeln laut dem US-Politmagazin «Politico» nicht nur amerikanische Politiker – das bezweifeln auch die Profis an der Wallstreet und die Wissenschaftler der HSG.

Sie haben Grund dazu. Schon vor der Finanzkrise 2007 irrten sich die Rating-Agenturen gewaltig. Ihre Triple-AAA-Bewertungen für später als «toxisch» und wertlos erkannte Schuldverschreibungen (CDO) waren Mitursache des Investmentbooms und der folgenden Geldvernichtung, welche mittelbar die heutigen Staatskrisen verursachte. Während damals Schrottpapiere überbewertet wurden, so werden heute Staaten unterbewertet, klagen die Staatschefs im Euroraum. Und das tun sie laut der HSG-Studie zu Recht. Aber Jammern hilft nicht gegen die Staatsverschuldung. Regierungen in Krisenländern wie Portugal, Irland, Griechenland und Spanien müssen brutale Sparprogramme durchsetzen, um gute Ratings zu erhalten.

Statt den Bewertungen der Rating-Agenturen zu folgen, wettete der skeptische Investor Steve Eisman vor der Finanzkrise 2007 gegen die CDO – und machte so ein Vermögen. Der Einzelgänger hatte sich dazu entschlossen, nachdem er Rating-Agentur-Mitarbeiter näher kennen gelernt hatte. «Die Jungs waren Nobodys», erinnerte er sich in einem Interview, das im Buch «The Big Short» nachzulesen ist. «Sie trugen billige blaue Anzüge mit zu gut passenden Krawatten. Sie waren schlecht bezahlt. Wer das Zeug dazu hat, geht an die Wallstreet.»

Allmächtige Agenturen

Eisman horchte die Rating-Profis aus und erkannte, dass sie blind fehlerhaften Modellen vertrauten. «Sie handelten, ohne gross nachzudenken.» Und sein Investmentpartner bemerkte: «Im Geschäft waren mehr Idioten als Betrüger. Aber die Betrüger waren oben. Und die Rating-Agenturen waren so weit unten wie überhaupt möglich.» Er hielt sie für Idioten. Aber, so Eisman: «Die Leute hatten zusammen mehr Macht als irgendjemand sonst im Anleihenmarkt.»

Weil die Entscheidungen von Millionen Investoren, die Entscheidungen von Regierungen und sogar des Präsidenten der USA von den Rating-Agenturen geleitet werden, besitzen sie eine unheimliche Macht. Glaubt man Eisman, wird die Welt von Idioten regiert. Und das auch weiterhin.

Montag, 20. Juni 2011

Ins Gefängnisgelände eingebrochen. Rumgesprüht.

Graffiti Gefängnis Zürich
Foto: Goran Basic

Graffitiattacke auf Gefängnis. Am vergangenen Wochenende wurde das Gefängnis der Kantonalpolizei mit einem meterhohen Graffiti versehen: 5 Sterne Hotel.

Hannes Grassegger

Das Graffiti an der Gefängniswand zeigte fünf riesige gelbe Sterne, daneben das Wort: "Hotel". Angebracht wurde es am provisorischen Polizeigefängnis auf der Kasernenwiese in der Nacht von Samstag auf Sonntag 19.Juni.

Wie konnten die Täter in das ans Gefängnis angrenzende Gelände eindringen, ohne erwischt zu werden?

Martin Sorg, Sprecher der Kantonspolizei, erklärt, unbekannte Täter hätte in der Nacht den „ganz normalen Zaun“ überwunden, dann das Graffiti auf der Aussenmauer angebracht. Der das Gelände umgrenzende Zaun sei nicht mit einer Alarmanlage gesichert. Der genaue Tatzeitpunkt sei nicht bekannt, der Vorfall sei später entdeckt worden. Schaden: einige Tausend Franken.

Die wohl mit farbgefüllten Feuerlöschern aufgetragenen, mehrere Meter hohen Sterne wurden nach Entdeckung notdürftig entfernt, ein Loch im Zaun am Sonntag repariert.

Hat die Polizei die Sicherheit des Gefängnisses im Griff? Und was war das Motiv? Sprayer-Ruhm lässt sich aus der Tat nicht ziehen, denn es wurde kein Crew-Name angebracht. Gegen einen Hintergrund aus dem politischen Milieu spricht die Sprüh-Technik, die eher „Bomber“ nutzen. Für einen Jux ist die Tat zu riskant.

Zu den Motiven will Martin Sorg keine Vermutungen anstellen. Er erklärt, die Täter seien „keineswegs in das Gefängnis eingebrochen“, sondern wären in „etwas wie ein umzäuntes Firmengelände eingedrungen.“ Es werde wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung ermittelt.
Die Sicherheit des Gefängnisses sei nie gefährdet gewesen. An ein ähnliches Eindringen auf das nichtöffentliche Gelände könne Sorg sich nicht erinnern. Manchmal fänden Farbattacken mit Farbbeuteln statt.

Das Gefängnis ist seit 1995 ein Provisorium und soll 2011 geschlossen werden.


Zum Artikel in 20minuten

Montag, 30. Mai 2011

"Das ist doch mein Leben"

Patrick Hohmann

Was denkt, wie fühlt ein ethischer Entrepreneur? Ein Unternehmer der Business mit Bio verbindet? Ein grüner Patron?

Mit Patrick Hohmann, Gründer des Biotextilpioniers Remei, sprach Hannes Grassegger

Er ist eigentlich ein „Textiler“ der alten Schule. Ein „Patron“, dessen Sohn in der eigenen Firma arbeitet. Doch 1990, nach Jahrzehnten in der konventionellen Textilindustrie, nach einer Kindheit als Sohn eines Textilhändler in Ägypten und im Sudan, begann der Unternehmer Patrick Hohmann etwas, wofür er damals ausgelacht wurde. Hohmann wurde grün. Sehr sogar. Seit 2005 produziert sein Betrieb ausschliesslich Bioware. Ein hartes Geschäft, voller Tücken, Betrüger, Preisschwankungen. Doch Hohmann liebt das Ringen. Man müsse Werte haben in diesem Geschäft, sagt der Firmengründer, der mittlerweile an Partizipation glaubt und eine ganz eigene Unternehmensethik entwickelt hat.

Remei, der Textilhersteller aus Rotkreuz nahe Luzern ist ein klingender Name in der Biotextilwelt. Zusammen 7000 Farmer in Indien und Tanzania produzieren Baumwolle im Auftrag von Remei, das sich als Netzwerkmanager versteht. Durch ein vielstufiges Produktionssystem gelangen Remei Kleider schliesslich in die Regale von Monoprix, Coop oder Mammut. Und auch Greenpeace setzt auf Remei.


Q: Herr Hohmann, Sie verrieten mir kürzlich auf einer Besichtigung Ihrer Biobaumwollfelder in Indien, dass sich das finanziell kaum mehr lohne. Doch Sie hätten ein Versprechen gegeben, spürten Verantwortung. Wurde aus dem Geschäftsmann ein Visionär?

Auch als reiner Geschäftsmann war ich Visionär. Ich wollte viel verdienen, Karriere machen. Aber wie das Leben spielt: Man begegnet Menschen, hat Familie, Kinder. Mit fortlaufendem Alter gehen die Augen immer weiter auf. Mit 40 Jahren dachte ich, diese Wirtschaftsform die ich bisher erlebt hatte, die ist doch einfach Unfug. Ich hab gesehen, wie die Textilindustrie sich änderte. Da wollte ich einen Serviceanbieter gründen, der allen nutzt.

Wieviele Menschen arbeiten in dem Produktionsnetzwerk, dass Remei betreut?

Es sind 54 Betriebe die wir koordinieren...die Farmer...zusammen etwa zwanzig- bis dreissigtausend Menschen.

Ursprünglich waren Remei ein konventioneller Betrieb. Wie kamen sie auf Bio?

Da lag eine Werbung des WWF auf meinem Tisch, in der mit handgepflückter Baumwolle geworben wurde. Etwa 1990. Das suggerierte, handgepflückt sei etwas Gutes. Was auch stimmte, weil nicht durch Entlaubungsmittel geerntet wurde. Ich sagte mir aber: Wenn schon, dann richtig!
Weil eigentlich war handgepflückt nur in Amerika etwas besonderes. Siebzig Prozent der Baumwolle wurden ja handgepflückt. Ich ging etwas später zu meinen Spinnereien in Indien, und fragte meine Zulieferer, woher denn eigentlich ihre Baumwolle kam. „Von weit her.“ Da fragte ich einfach: Warum nehmen wir nicht Bio? Und wurde erstmal ausgelacht. Damals gab es noch keine Biobewegung. Neun Monate später stellte ich die gleiche Frage dem Spinner der Maikaal Spinnerei. Und der sagte: „Lass uns das machen.“ Wir mussten uns mühsam einen Berater suchen.

Hinter Remei stehen Sie. Sie sagten einmal, Sie seien ein Patron. Ihr Unternehmen scheint kein revolutionär-neuartiges Modell...

Fast alle Mitarbeiter sind beteiligt. (Hält ein Aktionärsregister hoch) Ein Unternehmen mit Namensaktien! Habe ich wirklich Patron gesagt? Nun, ich führe relativ breit, versuche ein guter Patron zu sein und frage meine Mitarbeiter. Ich koordiniere ein Führungsteam mit sechs Leuten. Mit mir und meinem Sohn sind nur zwei Männer in der Führungsetage.

Ein guter Patron? Was sind denn Ihre unternehmerischen Werte?

Ich möchte Qualität und Preisgerechtigkeit. Qualität heisst wirklich das Beste aus dem Produkt rauszuholen. Preisgerechtigkeit heisst so zu arbeiten, das jeder der am Geschäft teil hat, sich auch damit entwickeln kann, seinen Teil kriegt. Nicht einer sehr viel, der andere sehr wenig.
Wenn man wie ich mit tausenden Partnern zusammenarbeitet, kann man das nicht eins zu eins lösen, sondern muss Regeln aufstellen. Darin liegt die Schwierigkeit, Regeln so aufzustellen, die Mitarbeiter so zu sensibilisieren, dass sie diese Regeln anwenden wollen. Das ist der grosse Schlüssel. Das ich eine Unternehmung schaffen möchte, in der diese Regeln lebendig, in Bewegung bleiben. Wir überlegen uns bei Zahlen in den Bilanzen: wie wirkt sich unser Handeln auf die Bauern aus?

Sie denken für andere mit?

Ja! Für Farmer und für Endkunden.

Sie sagen, Ihre heutige Unternehmens-Ethik besteht darin, für Zulieferer wie Abnehmer so nützlich zu werden, dass Remei einen Wert, nicht Kosten, darstellt.

Ich glaube nicht, dass Ethik und Wirtschaft sich widerspricht. Die unethische Wirtschaft läuft aus dem Ruder. Die ethische Wirtschaft balanciert aus. Zu ethisch wird nicht mehr wirtschaftlich. Zu unethisch wird einfach überaus wirtschaftlich. Die Balance, die man zwischen Angebot und Nachfrage schaffen muss, ist etwas Verbindendes, Wertschaffendes. Daraus soll der Ertrag unserer Firma kommen. Der Nutzen unseres Unternehmens für die Kunden besteht darin, dass die Partner auch etwas mitnehmen können.

Sie experimentieren mit biodynamischen Methoden. Was bedeutet Ihnen Anthroposophismus?

Im Antroposophismus fand ich Gedanken, die eine überkulturelle Zusammenarbeit ermöglichen. Beispielsweise, dass jeder frei ist, seiner Denkenswelt zu folgen. Und im wirtschaftlichen: Jeder ist dem anderen zugewendet, es hat keinen Sinn, Wirtschaft nur für sich zu machen, sondern es ist immer für den Anderen. Drittens: Vor dem Gesetz ist jeder gleich, es gibt Regeln die für alle gelten. Wenn man sich daran hält, kann man weltweit wirtschaften, ohne zu unterdrücken oder Regeln aufzuzwängen. Wir bieten Biodynamisch als Option, aber zwingen Bauern das nicht auf.

2009 begann eine Krise in der Biocottonbranche. Zu allem Unglück traf Sie noch ein schwerer gesundheitlicher Rückschlag. Wie fanden Sie die Kraft wieder in die Firma zurückzukehren?

Das ist doch mein Leben! Ich kann es mir gar nicht vorstellen ohne dieses Ringen, dieses Bio, eigentlich noch viel mehr: diese soziale Wirtschaft. Ich will das hinkriegen, wirtschaftlich und nachhaltig zu arbeiten. Ich möchte, auch wenn das nicht immer möglich scheint, dass die Menschen die mit mir zusammengearbeitet haben, einen Vorteil aus dieser Zusammenarbeit gefunden haben. Ich habe gesehen, das ist noch nicht fertig. Das muss auf viel breitere Schultern, viel mehr Menschen, nicht einfach auf einen Patron gestellt werden. Diese Ideen des partizipativen Zusammenarbeitens, das müssen wir wirklich noch weitertragen, dass muss Formen finden über eine lange Kette, dass der Bauer bis zum Retailer durchkommt. Das alte horizontale Wettbewerbsmodell, Weber gegen Weber, ist eigentlich tot.

Wie wichtig ist es, an seinen Werten festzuhalten, wenn man in der Biobranche arbeitet?

Ich glaube, Werte sind eminent wichtig.

Wenn es um Werte, um Glauben geht, wie kann Kritik an Bio beispielsweise aus den Medien dann eine produktive Rolle einnehmen?¨

Ich bin kein Besserwisser. Und ich hab manchmal Mühe mit Kritik. Aber ich nehm das auf und denke immer: es könnte was dran sein. Kritik wird bei uns hoch angesehen. Wir versuchen das für unsere Performance zu nutzen. So war das auch als 2010 Berichte über gentechbelastete Bioware erschienen. In Folge dessen haben wir unser Kontrollsystem noch mal verschärft. Und wir haben festgestellt: wir müssen noch viel besser werden, um Gentech die Stirn bieten zu können.

Sie wiesen in ihrem Jahresbericht bereits 2009 auf schwere Unregelmässigkeiten hin. So ehrlich wie Hohmann war kein Bio sonst. Was hat es Ihnen gebracht?

Das ist mir wurscht, was die anderen dazu sagen. Wer die Wahrheit sagt, muss sich nachher nicht daran erinnern, was er gesagt hat. Der Bioanbau ist keine einfache Sache. Es ist ein ungeheures Ringen. Dieses Vorspielen von Einfachheit, das macht die Gentechnik. Das ist nicht lebendig. Wenn man lebendig arbeitet hat man Widerstände, ein Ringen. Wenn man will, dass der Andere teilnehmen kann, muss man ihm die Wahrheit erzählen.

Nun verlor Remei - vielleicht aufgrund ihrer aufwendigen Gentechkontrollen – tausende Farmer. Nehmen Sie die Gentechnik vielleicht zu ernst?

Gentechnik kann man gar nicht „zu ernst“ nehmen. Die Gentechnik ist empirisch gedachter Anbau. Zuerst kam die grüne Revolution, dann gab es zuviel Unkräuter. Man vernichtete die Unkräuter. Damit starben die nützlichen Insekten aus. Also musste man die Pflanzen spritzen. Dann haben sich die Schädlinge unter den Blättern verteilt. Dann musste man die ganze Pflanze vergiften. Gentech: Es gibt keine Ruhe in diesem System. Und auch sozial nicht: Erst haben sich die Bauern mit uns entschuldet. Dann kehrten sie zur Gentechnik zurück – und haben wieder Schulden. Wir müssen Balance finden. Das geht nicht, indem man ganze Flächen vergiftet. Wir müssen anders denken! Bioanbau setzt Kräfte ins richtige Verhältnis zueinander. Ich bin zu alt, um noch an Gentechnik glauben zu können. Ich sehe zu viele Widersprüchlichkeiten darin.

Sie haben geringere Profite durch den Mehraufwand den Sie für die ethischen Praktiken in Kauf nehmen.

Es geht uns gut, vor allem wenn ich mich mit anderen Textilunternehmen vergleiche. Wir sind in sehr schwarzen Zahlen. Doch es geht nicht um Profit. Profit ist nur eine Notwendigkeit. Wir müssen gut verdienen, um sozial zu sein. Wir wollen gut verdienen, haben da unsere Ziele, aber wir wollen nicht mehr.

Freitag, 6. Mai 2011

Der Neue Pop

Das Magazin Grassegger

Eine neue Generation Schweizer Musiker will nichts weniger, als die Welt erobern. Mit Pop.


Das ist Folgerichtig. Ergebnis eines neuen Denkens.

(Für Das Magazin, Schweiz...der volle Artikel bis jetzt nur in der Druckausgabe. Der folgende Text ist der Background zum Artikel in "Das Magazin", Nr. 18)

...
Musik ist die frühste öffentliche Äusserung einer Generation. Literaten, Maler, Politiker, alles kommt später.

Man kann etwas verstehen, etwas heraushören. Neu ist das grösser, internationaler und toleranter Denkende, Un-nischige. Der Pop-Charakter. Und es geht nicht um Krieg sondern um Weltoffenheit und darum dass die Nullerjahre mit ihrer Ängstlichkeit und Segregation vorbei sind.

Diese Jahre ab 9/11 und Globalisierungskritik, als sich angeblich lauter Parallelgesellschaften bildeten, die sich angeblich feindlich gegenüberstanden. Als man sich fragte, ob man nicht einfach alle rausschmeissen sollte, die irgendwie ein Risiko darstellen könnten. Damals, als die New Yorker Reiche-Kinder-Band The Strokes enge Hosen einführte, in denen man sich nicht mehr frei bewegen konnte. Und die, die weiterhin weite Hosen trugen, rappten über Kleingruppen, Crews, die teuflisch gut zusammenhalten und alle anderen besiegen.

Wie gut wäre denn im Mundart-Hiphop-regierten Bern der Nullerjahre die Selbstdefinition von Labrador City (mehr dazu im Print Text, hg) angekommen: „Wir machen Popmusik, also Rockpop.“ Die Crews hätten Nik Stettler von Labrador City voll real von der Bühne gebattlet. Doch heute, wo so Viele genervt sind von der Stierheit der Parallelgesellschaft, von Realness oder politischem Fundamentalismus, ist Pop gefragt. „Let it go“, sagt Elia Rediger, Leadsänger der Basler Band The Bianca Story; Nik Stettler findet „weite Definitionen gut.“.

Die Jungs haben die Gnade der späten Geburt. So zwischen 1985 und 1990 erblickte ihre Generation das Licht der Welt, und was sie sah in diesen prägenden Kinderjahren, das war ganz wunderbar. Die Leute trugen flippige Frisuren, es war okay anders zu sein, gleichzeitig hatte man den ganzen revolutionären Kram der letzten Jahrzehnte abgeschüttelt. Dann fiel auch noch die Mauer, es sah nach grossem Weltfrieden aus, Bill Clinton war nett und Francis Fukuyama dachte schon über das „Ende der Geschichte“ nach. Globalisierung war DAS neue Ding. Dazu gehörten Vertrauen, Freiheit und Öffnung.

United Colors of Benetton

„United Colors of Benetton“ hiess die Marke dieser Epoche bezeichnenderweise. Alle Benetton Modells hatten verschiedene Hautfarben. Alle trugen den gleichen bürgerlichen V-Neck Pullover. Einfach in unterschiedlichen Farben. Dazu gehörte die Swatch. Die Pop Swatch. Alle gleich und doch unterschiedlich. Das war Ausdruck des letzten verbindenden Gesellschaftskonzepts bevor die Türme umgeworfen wurden. "Die goldenen Neunziger", sagte der deutsche Sozialpsychologe Harald Welzer vor kurzem bei einem Vortrag in Zürich dazu.

Ein später Kinderhit dieser Generation ab 1985 war Oasis’ „Wonderwall“. Ein grosser Pophit für das englische Creation Records Label. Sozusagen die Erfüllung des Planes der für Stadionrock, Punk oder Disco zuspätgeborenen Creation-Gründer, die damals den Britpop miterfanden. Ihre Vision war eine Musik, die vom Punk die Einfachheit und Zugänglichkeit geerbt, aber das abstossend Lärmige, das Segregierende abgeschüttelt hatte. Creation führte das in vielen Nischen gestrandete Potential der Rockmusik zurück in den Gemeinplatz, die Allmend - den Pop. Gleichzeitig achtete man bei Creation auf Niveau und Stil. Gute Musik für alle. Der grösste gemeinsame Nenner.

In diesem Anspruch liegt auch der Unterschied zur anderen integrativen Musik dieser Epoche, der elektronischen Tanzmusik. Wenn diese in die Breite geht, findet sie den kleinsten gemeinsamen Nenner. Anschaulicher Beweis: das aufs nackte Fleisch runterreduzierte Stampfen einer Streetparade in Zürich. Auch daran starb die Loveparade in Berlin: Inhaltslosigkeit. Wie sollte Dr. Motte dafür ein Motto finden? Da hat Pop mehr zu erzählen.

Wer heute Anfang zwanzig ist, für den sind die Nullerjahre Vergangeheit und die Achtziger präsent. Musik, Ästhetik, Filme, alles wurde in den Nullerjahren brav aufgearbeitet von den verschiedenen kleinen Gegengesellschaften, die stets nach dem verloren gegangenen Zeitgeist suchten. Anfang 2010 kamen sie ganz offiziell im Pop der Spätachtziger und Frühneunziger an. Datierbar anhand des Plattencovers der letzten Veröffentlichung der erfolgreichen New Yorker Post-Hipster Band Vampire Weekend. Ein bourgeoises Girl im Poloshirt mit hochgeklapptem Kragen. „Contra“ heisst das Album. Innendrin ist netter Pop mit Weltmusikeinflüssen. Es ist der Versuch, einen grössten gemeinsamen Nenner zu formulieren.

Genau wie hierzulande auch von jungen Bands versucht wird, eine neue integrative Formel zu finden. Den Neuen Pop.

Die Netzwelt

Es gibt neben den Kindheitserfahrungen noch einen gewichtigen Grund für das Bewusstein dieser Generation. Vielleicht sogar der Wichtigere. Wer zur Hälfte im Internet aufwuchs, in der Schule googeln lernte und sonst in Netlog, StudiVZ, Facebook, Skype, Myspace chattete, kommentierte und sich profilierte, der lernte beim Streunen durch die Weite der flachen Netzwelt – wo Kinderpornographie, Gore und die EDA-Website nebeneinander stehen – einiges.

Erstmal: es gibt ungeheuer vieles. Und die ganze Geschichte ist auch noch versammelt. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, bewegt auf YouTube: 50s, 60s, 70s, 80s, Iran und USA. Die Netz-Welten haben zudem viele Türen, und für jede Stimme, jedes Comment irgendwo auch Zuhörer. Man kann sich überall einmischen. Wie schräg die anderen drauf sind, antun können sie mir aber (fast) nichts. Das Netz ist, zumindest physisch, harmlos. Allerdings muss man sich abgrenzen lernen. Naivität ist nicht angesagt im Zeitalter von Exekutionsvideos, Passwort-Phishing und Trolling. Aber man beginnt die Welt anders zu sehen. Wie ein Globetrotter. Alles was interessiert, ist eine Reise wert.

Bilder von Rico und Michael, Text von Hannes Grassegger. In der aktuellen Ausgabe (No. 18) von Das Magazin. Print oder als App.


The Bianca Story


Labrador City - Feathers


Sheila She Loves You


Anna Aaron


Fai Baba

Mehr Musik: hier.

Mittwoch, 20. April 2011

Ein Blick ins Imperium

Capital Titelgeschichte


Capital Titelgeschichte
von Melanie Bergermann,Hannes Grassegger, Christian Kirchner, Maximilian Pisacane.


Hinter den Kulissen des Imperiums.
Eine Reportage in der Welt von Angermayer, Brumm & Lange. Superschnappschuss gefällig?
Vorhang auf! KLICK HIER


Ab Mittwoch 20.April in der Print Ausgabe von Capital.

Mittwoch, 30. März 2011

Momus Interview

DU Magazin

Freiheit durchs Internet. Befreiung vom Internet.
Mein Interview mit Momus. Erschienen im
Du Magazin.

Bilder Nathan Beck

Wohl niemand in der Popwelt hat das Internet so verinnerlicht wie der Musiker und Autor Momus, bürgerlich Nick Currie. 1995 öffnete Momus, der in der realen Welt nie wirklich grosses Publikum gefunden hatte, den Musik-Kunst-Design-Blog Clickopera um sich dort ein eigenes Publikum «zu formatieren». Mehr als eine Dekade lebte Currie online, mit dem 24 Zoll Bildschirm als Horizont. Kommentatoren aus aller Welt verfolgten seine täglichen Essays, die stetigen Veröffentlichtungen seines Songwriter-Elektropops. Schon 1999 finanzierte er sich mittels eines Webaufrufs ein Album.

Weil er die kulturelle Vernetzungsfähigkeit seines Vorbilds David Bowie mit dem computerbasierten Pioniergeist des Musikproduzenten Brian Eno (u.a. für U2) ins Webzeitalter transportierte, wurde Momus zu einem Link zwischen Generationen und Künsten. Zum Inspirator und artist’s artist. Für das renommierte US-Magazin Wired schrieb er Kolumnen, in Berlin performte er im Hebbel Theater, der Schweizer Literat Christian Kracht liess den «berühmtesten Unbekannten des Pop» in seinen Werken auftauchen. Nach Stationen in Glasgow, London, Paris, New York und Berlin zog der gebürtige Schotte 2010 nach Osaka. Momus Wirken ist wie das Internet: Es scheint überall gleichzeitig in allen Bereichen stattzufinden.

Doch für den Avantgardist ist die kulturelle Utopie des «Web 2.0» gestrandet. Clickopera schloss 2010. Als Literat lebt Momus nun seinen hochinformierten, sexualisierten Dandyismus fort. Print-only, keine Kommentare. Momus fühlt sich «post-Internet». Aber seine künstlerische Praxis wurde durch die digitale Welt umformatiert: Er entwickelte eine andere Art zu Denken und sich auszudrücken. Heute habe die «Lüge», das Erschaffen von Welten aus dem Nichts, das Internet ersetzt, sagt der 51-jährige.

HG: Nicholas Currie, Ihr Pseudonym Momus wurde eigentlich erst im Netz zum Popstar – dank «Clickopera», einem Blog, den Sie fünfzehn Jahre lang betrieben und 2010 plötzlich geschlossen haben. Haben sich Ihre Vorstellungen vom Web nicht erfüllt?

Momus: Sie sind alle gestorben. Das Ende meiner Begeisterung für das Internet ist erreicht. Fünfzehn Jahre meines Lebens waren dominiert vom diesem Window, diesem Rahmen (deutet einen Bildschirm an).

...

Sie verliessen das Web 2.0, die Welt des direkten Feedbacks. Ihr kommendes Buch über Japan erscheint nur gedruckt, nicht digital. Sind Sie ein Reaktionär geworden?

Ich habe die Kommentare auf meiner Website zu sehr geliebt. Auch die feindlichen. Ich habe sie genossen. Aber es zieht dich nach unten. Es gab einige Kommentatoren, die begannen, die Art und Weise zu verändern, wie ich dachte und arbeitete. Sie wurden zu Stimmen meines eigenen, inneren Monologs, übten übermässigen Einfluss auf mein Werk aus. Ich fing an, im Vorhinein meine Argumente zu rechtfertigen gegen ihre zu erwartenden Einwürfe. Was ich aus dem Internet mitnehme, ist, in meiner Arbeit Attacken zu antizipieren. Die Prolepsis. Das bedeutet, aus der Zukunft heraus zu denken, sich in andere hineinzuversetzen, ihre Zweifel zu antizipieren und das eigene Argument dagegen zu rechtfertigen. Die Prolepsis dreht sich darum, die langweiligen, die vorhersehbaren Bewegungen zu ver- innerlichen. «Was ist deine Meinung?» Es schien so wichtig in den 2000er-Jahren. Ich war verloren im Labyrinth der Meinungen. Ich selbst kann viel spannendere Einwürfe machen als die Einwände meiner Kommentatoren. Ich schlage vor, zu einer Null-Kommentar-Kultur zurückzukehren.

.....die Druckausgabe Du Magazin "Digitales Leben" April 2011 im Handel.

Du Magazin Momus


Additional statement from Momus


I think one thing that should certainly be in the finished piece is the idea that the hivemind of the bulletin board requires EITHER agreement with an opinion which is within the "Overton Window" of their particular worldview, OR a staunch individual defense of a strongly-held alternative opinion. What the hivemind cannot tolerate -- and what it therefore brands as "trolling" -- is precisely what the artist (the good one) has traditionally done: orchestrated within himself, without the conviction of "opinion", a series of voices located on the cracked edges of interesting social faultlines. For the hivemind, this is "straw-manning" or "trolling" or "essentialism", and is seen as a crime, a new sin. There's no doubt at all that if Nietzsche, Bataille, R.D. Laing, McLuhan or even La Fontaine unfurled their ideas first on an Anglo-Saxon bulletin board they would be, soon, deeply unpopular and, later, banned. But even in saying this I am (prolepsis here) "straw-manning" and "trolling". Probably because I was educated in ancient academies dominated by the idea of the spiky contra-consensual "genius" rather than the modern academy of the web.


Das Gespräch fand anlässlich der Zürcher Dada Festwochen "Motel Nirwana" in der Roten Fabrik statt. Herzlichen Dank an Mark Divo und Kyros Kikos.

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