Der Mann hinter Facebook

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Der erbitterte Rechtsstreit mit seinem Ex-Angestellten Mark Zuckerberg lieferte die Grundlage für den Facebook-Film „The Social Network“. Jetzt versucht Divya Narendra erneut, ein soziales Netzwerk auf die Beine zu stellen.

Hannes Grassegger, New York

Es ist die Elite-Version einer Studenten-WG. Fünf Endzwanziger teilen sich im südlichen Manhattan eine stuckbewehrte 250-Quadratmeter-Etage für 10 000 Dollar Monatsmiete. Wie alle hier studiert Divya Narendra an einer der besten Business Schools der Welt, wie alle bewohnt er ein winziges Zimmer, in das gerade mal ein Tisch, ein Bett, ein Kleiderschrank passen. Wenn Narendra einmal nicht an seinem uralten IBM-Laptop arbeitet, übt er stundenlang auf einer seiner vier E-Gitarren Solos der Prog-Rock-Gruppe Dream Theater. Die WG ist das Hauptquartier seines neuen sozialen Netzwerks Sumzero. Auf der Couch im Gemeinschafts-Wohnzimmer schläft einer seiner Angestellten, am Esstisch hält Narendra Meetings ab – und gibt Interviews beim Frühstück mit Kaffee und Donuts.

FTD Divya, was würden Sie am Drehbuch von „The Social Network“ ändern?

Divya Narendra Ich glaube, es wäre vielleicht sinnvoll für die Filmemacher gewesen, mich zumindest einmal zu treffen.

Und was hätten Sie denen über Facebook erzählt?

Narendra Darüber will ich eigentlich nicht sprechen.

Aber es stimmt schon, dass Sie mit Cameron und Tyler Winklevoss den Facebook-Vorläufer HarvardConnection gegründet haben.

Narendra Das war im Dezember 2002, ich war knapp zwanzig. Es gab schon einige soziale Netzwerke. Die waren aber schlecht, die Leute nutzten irgendwelche Identitäten. In meinem Wohnheim hatte ich dann eines Tages eine Eingebung: Wenn sich Nutzer über ihre Hochschul-Mailadresse identifizieren, die nur Studenten haben, kann man verifizieren, wer sich da anmeldet. Anders als bei Myspace oder Friendster, wo jeder rein kann.

Sie haben dann Mark Zuckerberg dazugeholt.

Narendra Wir brauchten einen Programmierer, und der kleine Bruder eines Freundes erzählte mir von diesem Zuckerberg.

Dann haben Sie Zuckerberg beauftragt, Ihre Spezifikationen umzusetzen. Der Rest ist bekannt: Er gründete heimlich Facebook, Sie und die Winklevoss-Brüder fühlten sich betrogen, schließich landeten Sie vor Gericht. War es eine Genugtuung, Zuckerberg zu verklagen?

Narendra Es war mehr eine Notwendigkeit. Ich wusste einfach, dass wir schnell handeln mussten.

Gut, aber was haben Sie damals empfunden? Frustration?

Nerandra So hatte ich mir das eben nicht vorgestellt mit meiner ersten Firma. Der Prozess kostete viel Zeit und Geld. Aber natürlich habe ich unglaublich viel gelernt. Mich bringt nichts mehr um den Schlaf.

Man schläft ja auch gut mit einem dicken Konto. Laut Ihrer Kanzlei bekommen Sie und die Winklevoss-Zwillinge Bargeld und Aktienoptionen im Wert von 65 Mio. Dollar. Dennoch scheint der Streit nicht beigelegt.

Narendra Es gab ein paar komplexere Angelegenheiten bezüglich des Werts der Aktienanteile, die wir erhalten werden, aber dieser Streitpunkt wurde jetzt auch ausgeräumt.

Wieviel Geld werden Sie einstreichen, wenn Facebook an die Börse geht?

Narendra Ich weiß nicht, wie viel meine Aktienanteile wert sein werden, da habe ich keine tieferen Einsichten.

Wieso wollen Sie jetzt eigentlich schon wieder ein soziales Netzwerk aufbauen? Hatten Sie nach dem Facebook-Debakel nicht die Nase voll?

Narendra Ich bin einfach nicht der Typ, der viel klagt und zurückschaut. Ich habe weitergemacht.

Wie reagieren denn Investoren, wenn Sie denen Ihre Idee vorstellen? „Oh je, der Facebook-Verlierer versucht’s noch mal?“

Narendra Wenn überhaupt, dann hilft mir mein Hintergrund.

Sie haben Geldgeber für Sumzero gefunden?

Narendra Bevor ich mein Studium an der Kellogg begonnen habe, haben ich und mein Partner Aalap Mahadevia 275 000 Dollar Anschubkapital gesammelt. Jetzt stehen wir kurz vor Abschluss einer zweiten Finanzierungsrunde, die etwa das fünffache der ersten Runde betragen wird.

Bald werden Sie sehr reich sein und müssten eigentlich gar nicht mehr arbeiten...

Narendra Wie viele Unternehmer neige ich zum Optimismus und will etwas erreichen. Und dank Facebook habe ich die finanzielle Möglichkeit, ohne große Sorgen meine Pläne zu verfolgen. Ich stehe zu hundert Prozent und fulltime hinter Sumzero.

Warum sitzen Sie dann nicht als Startup-Gründer im Silicon Valley, sondern als Jura-Student in New York?

Narendra In New York sind mein Team und die größte Investment-Community der Welt. Und mein Studium hilft mir sehr dabei, mein Netzwerk aufzubauen und kompetenter zu werden. Jura im speziellen hat mir bei Verhandlungen sehr geholfen.

Aber haben Sie das WG-Leben nicht langsam mal satt? Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

Narendra Die WG war super bisher! Aber wenn ich später mal Zeit habe, suche ich mir vielleicht doch eine Wohnung. Und irgendwann will ich mich auch ernsthaft um Musik kümmern, gerne in Boston am Berklee College Komposition studieren. Aber erstmal bin ich hier und Unternehmer.

Wenn ich das richtig verstehe, beruht Ihr neues Netzwerk auf der alten Grundidee von HarvardConnect.

Narendra Ja, die Idee, dass sich Nutzer eines sozialen Netzwerks authentifizieren müssen. Das veränderte die gesamte Dynamik.

Inwiefern?

Narendra Man will doch Leute dazu bringen, sich viel auszutauschen und wirklich interessante Sachen zu sagen. Nur eine engagierte Nutzerbasis bringt echten Wert in ein Netzwerk. Darum geht es bei Sumzero, einer Online-Community für professionelle Investoren. Speziell für Analysten von Hedge Fonds, Mutual Fonds, aus dem Private-Equity-Bereich.

Und was schreiben die?

Narendra Schauen Sie, hier hat ein Nutzer eine lange Zusammenfassung einer seiner Investitionsempfehlungen gepostet, andere Mitglieder posten ausführliche Kommentare dazu. Das sind nicht irgendwelche Gestalten. Sondern ausgewählte Profis, die wissen, was sie schreiben. Das ist das Feedback, das man sich wünscht. Dazu brauchst Du eine exzellente Community.

Warum brauchen diese Leute ein eigenes soziales Netzwerk?

Narendra Werfen Sie mal einen Blick ins „Wall Street Journal“ oder die „Financial Times“ und schauen Sie, wer da vorkommt. Investoren wie George Soros, Viking Capital, KKR... Deren Analysten liefern die Nachrichten – aber sie selbst haben sich bisher nicht zu ihren Empfehlungen geäußert.

Und warum sollten die nun mit Fremden ihre Erkenntnisse teilen?

Narendra Manche Analysten reden einfach gern. Und für andere ist es Marketing: Sobald sie einsteigen, reden sie darüber, um andere an Bord zu holen.

Was bieten Sie den Mitgliedern?

Narendra Erstmal eine Research-Datenbank mit den Empfehlungen führender Investoren. Die Beiträge geben Details zu Risiken, Höhe der Assets, der Unternehmensführung... Dann kann man andere kontaktieren. Und es gibt eine Stellenbörse.

Können bei Ihnen auch Vertreter von börsennotierten Firmen und Emissionshäusern posten?

Narendra Nein, anbieterseitige Informationen gibt es überall. Bei uns gibt es nur käuferseitige Informationen. Als Analyst fände ich das hoch interessant.

Wie stellen Sie die Identität Ihrer Nutzer denn nun sicher?

Narendra Bei unserer Community muss man sich bewerben und angeben, wo man als was arbeitet. Im Zweifelsfall haken wir nach. Und man muss eine Investitionsidee einbringen. Wir steigern die Qualität durch Reziprozität. Nur wer selber Investitionsideen einbringt, kann auch die der anderen lesen.

Und wie reagiert Ihre Zielgruppe bisher?

Narendra Wir haben 6500 Mitglieder in fast allen wichtigen Finanzmärkten, noch kommen die meisten aus New York und Boston. Hier, die neuesten Anträge: Leute von Vulcan Capital, APAC, Greenlight... Von den Investoren, auf die wir abzielen, gibt es weltweit maximal 100 000. Unsere Vision ist, dass jeder größere Fonds auf unserer Plattform ist.

Dann wäre Sumzero quasi das wertvollste Netzwerk. Wäre das Ihre Rache an Facebook?

Narendra Ich denke nicht mehr an Facebook.

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