zueritipp

Donnerstag, 13. März 2008

Weich und Rhythmisch

Er: verliebt. Roboter: Maschinell

Seine erste Veröffentlichung nannte er «Amours», seine neueste CD «Sexuality». Jetzt kommt Sébastien Tellier nach Zürich.

Von Hannes Grassegger

Sébastien Tellier aus Paris ist genau der Typ Mensch, den junge Männer nicht treffen wollen, wenn sie ihre Freundin in der Stadt der Liebe ausführen. Er hingegen will, dass ihn auch die auswärtigen Mädchen richtig verstehen, und nannte daher sein neues Konzeptalbum «Sexuality».

Eigentlich ist man in Frankreich bei Anglizismen schnell brüskiert und kreiert extra Wörter wie «ordinateur» für Computer. Aber wenn Sébastien den «ordinateur» sanft streichelt, kommt eben Sexuality heraus. Weich und rhythmisch klingt der von Daft Punks Guy-Man mitproduzierte Elektropop. Sanft pulsieren tausend Synthies, als hätten Kraftwerk und Giorgio Moroder eine Sommernacht in Paris verbracht. Sehr charmant raunt darüber ein verliebtes Falsett lüsterne Fantasien - und seit Serge Gainsbourg hat es auch keiner mehr so stöhnen lassen wie Tellier und Guy. Kein Wunder, dass Sébastien Tellier heuer Frankreich beim Eurovision Song Contest vertreten wird.

Doch Sexuality ist ein gefährlich Spiel. Unter all der Oberflächlichkeit lauern zehn Jahre Pariser Szene-Inzest zwischen Telliers Label-Bossen von der Band Air und seinen Koproduzenten Daft Punk sowie eine ganze Menge Zynismus. Das Album beginnt «Mains en mains à la plage» und endet mit «L’amour et la violence». Wenn dann der egomane Stilfanatiker Tellier im intimen Mascotte «Dit moi ce que tu pense de ma vie» winselt, sollten die jungen Männer ihre Freundinnen gut festhalten. Denn schleimig wie Nacktschnecken werden ihnen die Synthie-Flächen ins Genick und den Rücken hinabkriechen.

Donnerstag, 8. November 2007

Gott hat einen Vogel

Mit Andrew Bird und Vic Chesnutt kommen zwei Songwriter in die Rote Fabrik, die vor allem vor Musikjunkies spielen. Im Umgang mit diesem schwierigen Volk benutzen beide dieselben Tricks: Melancholie, um die Seele anzufixen, und Ironie, um die Gefühle abzuknallen.

andrew-bird

Von Hannes Grassegger
Andrew Bird ist wie ein Klassenbester, der auch noch cool ist. Der Typ macht alles richtig, was Kritiker sonst immer an Musikern bemängeln: Erstmal spielt er Folkrock. Manche nennen ihn Singer-Songwriter, er komponiert also alles selber. Das ist der erste Schlüssel zur Gunst der meisten Musikfreaks. Weiterhin hat Bird Musik studiert; seine Texte sind voller Fremdwörter und vermitteln den Anschein tiefsinniger Philosophie; er zupft (!) neben der Geige auch die Gitarre, singt dazu und pfeift ganz wie ein Vögelchen. Dann ersinnt er komplexe Songstrukturen, verfällt niemals simpler Refrainschematik und verzichtet dennoch nicht auf eingängige Hooklines. Live ist der 34-jährige Beau zeitgemäss und experimentell, loopt sich mit Samplerschnickschnack, nimmt rasch das nächste Instrument zur Hand, spielt flott was drüber. Oft ist er allein auf der Bühne, mit Händen und Füssen Klänge produzierend, singend, sampelnd, pfeifend, fidelnd - eine Menschmaschine mit Biotouch.


Doch im Gegensatz zu all den schlaffen Folkbrüdern passiert bei Bird sogar rhythmisch einiges. Hin und wieder klingt Zydeco durch, da fängt derKritiker an, sich wohl zu fühlen, mitzuswingen fast. Aber tanzbar wirds dann doch nicht. Wär ja auch zu oberflächlich. Birds Sound hat diese gewisse Melancholie, ohne die man nicht ernst genommen wird im Business. Aber (und damit sackt er die letzten hartnäckigen Widerständler ein): Er hat auch Ironie. Es ist doppeldeutig stilvoll, wie sich der Amerikaner auf Youtube mit seiner Geige in Paris zeigt, das Klischee beim Schopfe packend, am Montmartre musizierend. Er ist ein Dandy, ein bisschen posh, beinahe britisch. Ach, und aus dem Chicagoer Untergrund kommt Bird auch noch, viele seiner zwölf Alben sind vergriffen. Es hat etwas Edles, wenn man abends unter Kollegen eine der seltenen Scheiben auspackt.

Andrew Bird ist ein Musikmonster. Ganz sicher nicht Teil einer Jugendbewegung, sondern in den luftigen Höhen eines Nick Drake zu finden. Und wenn es nur einen Gott geben sollte, so wird er sich auf Reisen sicher dann und wann von Bird vertreten lassen.

Jetzt aber ist der Vogel ausgeflogen und gibt sein einziges Konzert im deutschsprachigen Raum. Es wird sicher lustig zuzusehen, wie all die Plattensammler, Plattenhändler, Skeptiker und Kenner lauschen, während Bird mit seinem Perkussionisten und Multiinstrumentalisten Martin Luther King Chavez Dosh auf der Bühne (hoffentlich) wie ein ganzes Orchester klingt.

Zürich, Rote Fabrik, Seestr. 395

Mi 14.11., 21 Uhr

11. Kurzfilmtage Winterthur:Berg und Tal

Winterthur ist ziemlich flach. Doch einmal im Jahr holen sich die Einheimischen einen Berg von Ideen aus aller Welt: an den Kurzfilmtagen.

Von Hannes Grassegger


René ist unten: «Ich bin am Ende gewesen. Irgendwo eingeklemmt zwischen Leben und Tod. Ich hab mich nur noch nach der ewigen Dunkelheit gesehnt. Und dann hab ich sie gefunden», raunt der völlig vereinsamte Aussenseiter, während er sich im kalten Waldboden selbst begräbt.

Rene

René (Urs Jucker) ist die Hauptfigur in Tobias Noelles preisgekrönten Kurzfilm «René». Es sei sein Ziel gewesen, zu zeigen, wie es aussehe in Menschen, die niemand bemerke, und, erst recht, zu zeigen, wie die Welt solchen Menschen erscheine, erzählt der Regisseur.

«Theoretisch gesehen bin ich ja ein positiver Mensch», monologisiert René über Bildern, die ihn in einer verwunschenen, verwaschenen Schweiz zeigen: «Mein Problem ist bloss das mit dem Positivsein: Das wird man ja erst durch seine Wirkung auf andere.» Ohne Gesellschaft gibt es keinen Beweis dafür, dass man lebt, denkt man und erlebt, was René sich erträumt vor seinem Zusammenbruch.

Die 11. Kurzfilmtage Winterthur zeigen nicht nur «René». Ziel des grössten Schweizer Kurzfilmfestivals ist es, das zu präsentieren, was im langen Spielfilmformat eben nicht möglich ist. Von Experimenten, wie sie vor allem das Gastland Österreich fördert, über den internationalen Wettbewerb, welcher aus beängstigenden 3300 Vorschlägen39 Werke von Brasilien bis Indien zeigt; hin zu verblüffenden Frühwerken von Polanski und Kieslowski, die diese an der Filmschule Lodz fertigten, der ebenfalls ein Themenblock gewidmet ist.

Um sich als Plattform für internationalesKurzfilmschaffen weiter zu etablieren, wird einRahmenprogramm mit Filmlaunches, Diskussionsrunden und Partys geboten. Besonders lustig wird das Best-of-Programm des Berliner FilmkollektivsSuperschool. Mit dem «Kongress des Halbwissens» entlocken sie Diskussionsteilnehmern Meinungen zu erdigen Talkshow-Themen wie: «Sind Linkshänder kreativer?» Mit dabei u. a. Michael Steiner, Regisseur von «Grounding», und die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen, live übertragen am Donnerstag, 8.11, 20h aus dem Festsaal des Casinotheaters. Lachkrämpfe oder Heulschübe, Gipfel und Täler? Auf nach Winterthur!

Montag, 30. Juli 2007

Dragan Durchschnitt

Reihum-Kolumne am letzten Ende des Züritipp.
Zusammengesetzt aus Agendadaten der jeweiligen Woche.

Leserinnen, Leser. Helft mir. Mein Herz hat ein tiefes Sommerloch. Ich stehe an der Limmat und es ist totenstill. Die Stadt ist leer, die Sonne brennt erbarmungslos. Traurige Kinder am Ufer versuchen aus den wenigen Seiten meines Züritipps einen Papierflieger zu basteln. Fly with me schreien die Clubber im Loop38 - Let it be ächzt der dürre Papiervogel und stürzt ab. La vie en rose sehen die Dübendorfer immerhin im Kino - ich seh da nicht hin. Es ist bitter: alle Girls sind bei der Single Night mit DJ Banana - doch ohne mich. "Zweisamkeit" schreit meine geschundene Seele, "Einsamkeit" schallt das Echo vom Locherguet am Dienstag aus dem Hey. Kraftlos falle ich ins lauwarme Limmatwasser und treibe stromabwärts durch Zürich. Das ist keine der sonderbaren Badekuren des Prof. Pilzbarth im Badener Musée Bizarre. Das könnte das Ende sein. Am Platzspitz schwimmt der letzte Nightlife - Junkie und wünscht sich back to the 80s im X-tra. Alle feiern die Hundsverlochete im Sternenkeller Rüti - aber ohne mich. Kurz bevor mich das Stauwehr verschluckt meldet sich mein Instinkt. Club Hey, brummt die innere Stimme, Dragan, sagtest du nicht einst du seist Born to be wild Mittwochs in Winterthur? Bereit für den Asphalt Jungle am Donnerstag im Hive? Lass die Schildbürger in Illnau in der Kiesgrube Theater machen, für dich ist Partytime! Denk an die Langstrasse, Linkes Zürich - Rundgänge durch das wirkliche Zürich. Nein, seufze ich, die Zukunft, die hat Sommerpause.

Dienstag, 24. Juli 2007

Fame statt Cash

Wandgemälde, Ausdruckstanz und Völkerfreundschaft - gefördert von der Stadtverwaltung. Auch das ist Hip Hop. Beim dreitägigen Graffititreffen "Meeting of Styles" am oberen Letten kann man gemütlich plantschen oder einer internationalen Schar ausgewählter Sprüher zusehen. Von Sky189 aus Südafrika zur Coa Crew aus Puerto Rico, geboten wird eine unkommerzielle Plattform für Künstler aus verschiedensten Ländern. Seit 2002 findet das Treffen alljährlich auf drei Kontinenten und in 16 Ländern statt. Dieses Jahr zum ersten Mal in Zürich. Die Maler bringen Freunde mit. Graffiti, Breakdance, DJing und Rap, alle vier Elemente des Hip Hop sind geboten. Samstag wird in der Tonimolkerei gefeiert. Friedvoll und kreativ, mancher Hippie wäre neidisch.

Donnerstag, 21. Juni 2007

lieder wie comics

jeffrey lewis singing comics

Schrummelgitarre statt Gettorap. Jeffrey Lewis aus New York schenkt dem Storytelling eine neue Heimat.

Von Hannes Grassegger

Zürcher wissen es. Das El Lokal ist eine Insel an der Sihl, bewohnt von Einheimischen mit einer eigenen Religion und seltsamen Riten. Zwei Götter werden hier verehrt, Fussball und Musik. Obwohl weithin gerühmt als gastfreundliches Volk - oft vergass man Konzerte mitzuteilen, einige verheimlichte man bewusst. Mancher Musikgott fand so nur eine Handvoll beseelter Insulaner vor.

Am 25. Juni wird das anders. Der 32-jährige New Yorker Folkbruder Jeffrey Lewis kommtbereits zum zweiten Mal, um auf dem Boden von Punk und Folk sein Innenleben auszubreiten. Kaum jemand bringt seine Gedanken direkter aufs Papier. Textlich und musikalisch vereint Lewis New Yorker Zynismus mit verträumter Naivität. Eine Lou-Reed-artige Stimme, dazu Gitarren, Schlagzeug und Bass - mal klingt es wie Woody Guthrie selig, mal wird härter in die Stahlsaiten gegriffen. Adam Green mit mehr Biss, öfter muss man auch an Dylan denken, wenn Jeffrey Lewis sein Versagen bitter belächelt.

Lewis kommt aus dem Umfeld des Sidewalk Cafes, Heimat von Adam Greens Ex-Band Moldy Peaches. Diese hatte ihn zum Label Rough Trade gebracht. Er entwarf dafür ihr Artwork, denn ursprünglich war der Gitarrist Comiczeichner. Skurril wie seine Comics ist auch sein Storytelling. Im Song «Williamsburg Will Oldham Horror» trifft Lewis im Zug sein Idol Bonnie Prince Billy - und macht alles falsch. So falsch, dass er ein grauenhaftes Ende findet. Im El Lokal kann man nun gemeinsam dafür beten, dass alles wieder gut kommt.

Montag, 12. März 2007

Bohème, Gehackt

Bitnik ist ein Hackerkollektiv, das schon am Uno-Weltgipfel für Verwirrung sorgte. Zugang zur Hochkultur für alle ist das Ziel ihrer nächsten künstlerischen Attacke.

Von Hannes Grassegger

Der Zugang zu Informationen prägt unsere Lebensverhältnisse entscheidend. Als 2003 Vertreter von Staat und Wirtschaft in Genf anlässlich des ersten Uno-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft das Thema debattierten, schlug Bitnik zu.

Die Mediengruppe verschaffte sich Zugang zu den Genfer Messehallen, in denen Wirtschafts- und Regierungsvertreter auf die unterrepräsentierten NGOs trafen. Bitnik gaben sich als Uno-Vertreter aus und verteilten Beutel mit Buchstabensuppe. Als «belehrende Tagesration» für Analphabeten sollte sie die hungernden Massen der 3. Welt für das kommende Internetzeitalter und die grossartigen Ergebnisse des Weltgipfels vorbereiten. Ganz im Sinne des Peer-to-Peer-(Nachbar-zu-Nachbar-)Gedankens wurden die Beschenkten aufgefordert, die Tüten an Personen ihrer Wahl zu senden. Gelebtes Filesharing sozusagen.

Mit solchen Eingriffen demonstrieren Bitnik, was sie unter einem Hack verstehen: «eine clevere Lösung für ein interessantes Problem». Konsequent wendet das 2003 in Zürich formierte Dreierkollektiv Ideen der alternativen Netzwelt aufsoziale Strukturen an. Ihre Aktionen stehen in der Tradition von RTmark, Gianni Motti oder Peter Regli, ihr Ziel ist im Sinn der Opensource-Bewegung, Zugang zu Informationen zu schaffen.

Künstlerisch erforschen Bitnik mit wechselnden Partnern den Einfluss digitaler und analoger Medien auf die Gesellschaft. Politisch sehen Sie sich beeinflusst von den Situationisten, welche ab 1957 versuchten, ästhetische Konzepte auf die Gesellschaft anzuwenden, und deren Dogma der strikt Copyright-losen Veröffentlichung den Geist der Opensource-Kultur prägte. Ästhetisch nutzt das Kollektiv dadaistische Praktiken, den Zufall als schöpferisches Prinzip. Wie bei Dada wird zerlegt und neu kombiniert. Erfahrungen aus Experimenten gilt ihr vorrangiges Interesse.

Gemein ist beiden Einflüssen der Protest gegen angestammte gesellschaftliche Vorstellungen. Mit der neuen Datenwelt allerdings eröffnet sich ein früher ungekanntes Experimentierfeld für soziale Organisationsformen; hier kommt der auf Knappheit fundierte Eigentumsbegriff ins Wackeln: Copy-Paste und fertig.

Ab Freitag 19 Uhr werden Bitnik und der bekannte Medienkünstler Sven König im Cabaret Voltaire einen spektakulären Live-Hack starten - was genau passiert, bleibt bis dahin geheim, doch dürfte gemäss Ankündigung Puccinis «La Bohème» eine Rolle spielen. Darauf folgt ein mehrmonatiges «Work in Progress», unterteilt in «Aneignung, Manipulation und Rückkopplung». Bitnik werfen ein Netz aus, und jeder hat Zugang.

easy wie iso

Tanzbarkeit und Entspannung: Der senegalesische Songwriter Ismaël Lô gibt am Samstag im GZ Heuried eine Lektion für gestresste Westler.

Von Hannes[0] Grassegger[0]
Fünf Jahre gab sich der afrikanische Popstar Ismaël Lô, kurz «Iso», für sein aktuelles, im Herbst 2006 erschienenes Werk. In aller Ruhe perfektionierte er ein Afropop-Album, benannt nach seiner Heimat «Sénégal», für Lô «ein wundervoller Ort zum Leben, ein Land voll der gastfreundlichsten Menschen». Zwischen sanft und poppig grün leuchtet das CD-Cover dem Betrachter entgegen, Lô, in traditionellem Batik (grün), entspannt lächelnd vor einem seiner Gemälde (grün). Auch mit seinem 22. Album ist Lôs Stern im Steigen begriffen.

Dabei tat seine 1970 verwitwete Mutter, wie Lô sagt, «alles, um zu verhindern, dass ich Musiker werde». Sie sandte den 1956 geborenen Ismaël zur Ausbildung als Kunstmaler nach Dakar. «Er konnte schon malen und war deswegen gelangweilt», kommentiert eine Biografie. Ein Bruder überredete den seit Kindheit musizierenden, privat zurückhaltenden Songwriter Anfang der 70er-Jahre, in einer Fernsehshow aufzutreten. Sein Mix aus Mandingo Sound, Soul und tiefsinniger Poesie kam an.

Er begann zu touren, man nannte ihn die «One Man Band», immer unterwegs, «like a rolling stone». Den «afrikanischen Bob Dylan» erkannten gar einige, wegen der Mundharmonika, der Gitarre und der kritischen Lyrik. Der Vergleich trügt. Stimmlich trennen Welten Dylans nasale Heiserkeit und Lôs weiches Timbre. Immerhin, am 30. August 1965 feierten beide: Lô den neunten Geburtstag, Dylan die Veröffentlichung von «Highway 61 Revisited».

Der im Senegal als Mbalax bekannten Melange aus Salsa, westafrikanischer und kubanischer Musik fügte «Iso» Pop, später Reggae hinzu. Die tanzbare Mischung aus treibender Rhythmik und ruhendem Gesang bewährte sich. Sein Hit «Tajabone» schaffte es in die europäischen Charts, Pedro Almodóvar verwendete den Song für seinen Film «Todo Sobre Mi Madre». Seit 1994 wird Ismaël Lô weltweit vertrieben, er arbeitete mit Césaria Evora, Marianne Faithfull und Stephan Eicher.

«Es ist gottgegeben, dass die Leute mir zuhören», sagt der gläubige Muslim, «es bringt Verantwortung mit sich.» Grösstenteils in Wolof thematisiert Lô Politik, die Rolle der Frau, Rassismus und Liebe. Kinder sind dem vierfachen Vater wichtig, oft singt er über das Heranwachsen oder Fragen von Erziehung und Ausbildung. Gemeinsam mit seiner Frau, einer Lehrerin, baute Lô in Dakar eine Schule für über 700 Schüler auf, er betreibt Sozialarbeit und widmet sich den Strassenkindern Senegals.

Sein einziges Konzert hier zu Lande ist eine Gelegenheit, den Weltmusikstar in kleinem Rahmen zu erleben. Lô ist bekannt für seine Bühnenpräsenz und wird von einer grossartigen Band begleitet. Für alle des Wolof Unkundigen erklärt «Iso» charmanterweise die Texte.

Donnerstag, 25. Januar 2007

Rocket Freudental

© züritipp (Tages-Anzeiger); 14.12.2006

Die bizarre, aber klare Welt von Rocket/Freudental: Gitarre, Sampler, Eigenbau-Schlagzeug, Jauchzen, Zetern, Flüstern.

Von Hannes Grassegger[100]
Kein Jammern, kein Revival oder Wollen ohne Kraft. Keine Hamburger Intellektuellen mit mittelgrossen Visionen, getarnt durch fadenscheinige Ironie. Robert Steng und André Möhl sind zwei Schwaben, freiheitsliebende Anarcho-Bauern aus dem Freudental. Wenn es bei ihrer Band so richtig abgeht, nennen sie das Rocket. Insgesamt also: Rocket/Freudental.

Ihre Songs sind rare Perlen. Es könnte an Trio erinnern, was Steng so komponiert, wären da nicht House-Beats oder Samples von den Beach Boys. Sind das die Goldenen Zitronen ohne Politwahn? Hört man hier den Drive von Fehlfarben ohne ihren Pessimismus? Die Einprägsamkeit von Grauzone ohne den Muff der 80er? Ja, all das, und dazu noch etwas Glam und Folk, angenehm in Lo-Fi gehalten. Steng selbst nennt es mal «Classic Rock».

Sänger Möhl schreibt Texte, die es schwierig machen, mitzuhalten in Sachen Klarheit und Natürlichkeit. Es gibt Fans in Holland, die zwar nichts verstehen, aber mitsingen, weil ihnen Deutsch jetzt doch gefällt, und es gibt im Internet Leute, die erzählen, sie hätten sich nass getanzt, seien glücklich heimgelaufen, immer noch die Zeilen von «24 Stunden im Leben eines Kunden» oder «Ich bau Scheisse» auf den Lippen. Und weil das Duo eigentlich auf Baustellen und Bauernhöfen arbeitet, kümmert sich bei ihnen niemand um die Promo. Sie selbst sagen es so: «Wir mögens ehrlich, hart und roh - wir wollen nicht in ein Büro, wir pinkeln in ein Dixi-Klo.»

Zürich, Club Zukunft, So 17.12., 21.30 Uhr

Ein Hohelied auf die Freiheit: Rocket/Freudental.

Donnerstag, 16. November 2006

Seine Feinde nennen ihn Joe

von Hannes Grassegger

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz, ehemaliger Chefökonom Bill Clintons, gefeuerter Vizepräsident der Weltbank und Autor kritischer Werke zur Globalisierung, liest im Kaufleuten.

Joseph Stiglitz kennt die Räume, in denen aus Ideen Realitäten geschmiedet werden. Er bestimmte seit 1993 die Wirtschaftspolitik Clintons und ab 1997 die der Weltbank. Sein ökonomischer Rat entfaltete existenzielle Konsequenzen für Menschen, die seinen Namen nie gehört hatten und auf der anderen Seite des Erdballs lebten.

Stiglitz war Vizepräsident der Weltbank, als sich in Seattle 1999 die Stimme des Protestes gegen den vermeintlichen Wirtschaftsliberalismus lautstark erhob, und er sah seine Zweifel an der «ökonomisch unklugen Politik» des IWF bestätigt, die «einseitig den Interessen der Kapitalgeber diene». Im Jahre 2000 war er politisch nicht mehr tragbar. Er hatte den Internationalen Währungsfonds und damit indirekt die Weltbank öffentlich wiederholt schwer kritisiert. Die Ära Clinton war vorbei und Stiglitz musste dem Druck von ganz oben weichen. Er war auf der falschen Seite.

Die politische Welt der Ökonomen zerfällt in zwei Lager. Die Diskussion über den Sozialismus ist eingeschlafen, gestritten wird über die Rolle des Staates. Während die Marktliberalen aus Effizienzgründen für die Utopie einer Welt (fast) ohne Staat kämpfen, vertritt Stiglitz die Gegenseite und plädiert für staatliche Marktsteuerung. Exemplarisch dafür stehen zwei Buchtitel zur Globalisierungsdebatte, dem offenen Schlachtfeld dieses Streits. So erschien 2004 das umjubelte Werk «Why Globalization Works» des wirtschaftsliberalen Chefökonomen der «Financial Times», Martin Wolf; 2006 konterte der 36fache Ehrendoktor Stiglitz mit seinem aktuellen Werk «Making Globalization Work» («Die Chancen der Globalisierung», Siedler-Verlag).

Der Nobelpreisträger von 2001, heute Professor an der Columbia University in Manhattan, hat bereits vor Jahrzehnten die Möglichkeit eines Marktversagens theoretisch bewiesen. Basierend auf der Annahme ungleich verteilter Informationen widerlegte er theoretische Ergebnisse, die lange dazu benutzt wurden, unter anderem die «Interessenpolitik des IWF» zu legitimieren.

Der 1943 in der Stahlstadt Gary, Indiana, geborene, demokratisch geprägte Jude Joseph E. Stiglitz hat eine politische Mission. Zwar befürwortet er den Globalisierungsprozess als wohlfahrtsförderlich, doch weist er zugleich auf die Gefährdung des Gesamtprozesses hin, sollten die Verlierer der Veränderungen von den Gewinnern nicht ausreichend entschädigt werden. Diese Umverteilung benötige staatliche Eingriffe. Stiglitz erkennt bis heute nicht an, dass der freie Markt die Probleme der Globalisierung alleine lösen kann. Kenneth Rogoff, Direktor der Forschungsabteilung des IWF, erklärte «Joe» deswegen bei einem öffentlichen Shootout in der Weltbank im Jahre 2004 für geistig krank. Doch sowohl die in die Millionen gehenden Verkaufszahlen seiner Bücher wie auch der Umstand, dass er für seine Kritik geschasst wurde, haben den renitenten Forscher in seinem Anliegen nur noch mehr bestärkt.

In Zürich wird Joseph E. Stiglitz sein neues Buch präsentieren: die Konzepte eines der einflussreichsten lebenden Ökonomen, verständlich erklärt und gut gedacht, wenn auch bisweilen ein bisschen rechthaberisch. Reservation dringend empfohlen (www.kaufleuten.com).

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